Geisterbahnfahrt auf dem Retro-Jahrmarkt - Dreigroschenoper in Trier

Spielzeitbeginn mit einem Klassiker: Das Theater Trier zeigt Brecht/Weills "Dreigroschenoper".

 Sie soll einen expressionistischen Touch haben, die Inszenierung der „Dreigroschenoper“ in Trier. TV-Foto: Friedemann Vetter

Sie soll einen expressionistischen Touch haben, die Inszenierung der „Dreigroschenoper“ in Trier. TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Zum zweiten Mal inszeniert das Trio Goldfarb & Goldfarb am Theater Trier: Nach "Cabaret" in der vergangenen Saison bringen die drei am Samstag, 30. September, 19.30 Uhr, im Großen Haus, Brecht/Weills "Dreigroschenoper" auf die Bühne. Laura Goldfarb, Zwillingsschwester Lisa Quarg und Tobias Goldfarb sind gleichberechtigt verantwortlich. Um der "Regiefirma" einen griffigen Namen zu geben, hatte der Autor, Journalist und Regisseur Tobias Bungter bei seiner Hochzeit mit Laura deren Familiennamen angenommen. Im Gespräch mit dem TV erklärt Tobias Goldfarb, wie das Regieführen zu dritt funktioniert.

Muss beim Inszenieren nicht ganz klassisch immer einer oder eine allein das letzte Wort haben?
TOBIAS GOLDFARB Wir arbeiten schon seit acht Jahren zusammen, und die Arbeitsteilung klappt ausgezeichnet. Jeder hat seinen Aufgabenbereich: Lisa und Laura kommen vom Schauspiel und vom Tanz. Ich dagegen halte mich beim Thema Choreographie komplett raus; ich bin Autor und Dramatiker. Und genauso teilen wir uns als Regieteam die Arbeit. Gerade bei der "Dreigroschenoper" kommen ja alle Elemente vor: das szenische, das musikalische und das choreographische. Und jeder von uns hat in seinem Bereich das letzte Wort.
Was eher selten ist in der deutschen Theaterlandschaft.

GOLDFARB Im anglo-amerikanischen Raum ist es durchaus üblich, in Regieteams zu arbeiten. Nur im deutschen Theaterbetrieb steht bisher meistens ein einziger Regisseur der gesamten Mannschaft vor. Das ändert sich aber allmählich. Auch hier löst sich die starre Zuständigkeit von Sparten und Abteilungen - zum Vorteil der Arbeit am Theater.
Wie gehen Sie an die "Dreigroschenoper" heran?

GOLDFARB Zunächst einmal: Man kann das Stück nicht eins zu eins inszenieren, dann müsste der Zuschauer vier Stunden lang im Theater ausharren. Also habe ich den Text stark gekürzt, was nicht einfach ist, weil man viele gute Stellen weglassen muss.

Wer in eine Wagner-Oper geht, bleibt doch auch fünf Stunden sitzen.
GOLDFARB Das ist zwar richtig, aber ich glaube, wenn die Zuschauer aus dem Stück gehen und denken: Das war aber kurz, schade, dass es nicht länger gedauert hat, ist mir das lieber, als wenn es heißt: Das war zwar gut, aber zu lang. Alles, was über drei Stunden hinausgeht, empfinde ich persönlich als zu umfänglich.

Beim Theaterfest am Samstag haben Sie einen Appetithappen präsentiert ...
GOLDFARB ... der bildmäßig sehr improvisiert war. Das "richtige" Szenenbild zeigt eine verschachtelte Welt, die sich dank der Bühnentechnik in diesem Haus sehr gut darstellen lässt. Ich würde die Szenerie als eine dekadent-kaputte Geisterbahn beschreiben, eine Art retro-futuristischen Jahrmarkt, der das von Brecht entworfene fiktive London der 1920er repräsentieren soll. John Gays "Bettleroper" aus dem Jahr 1728 war zweihundert Jahre später in der britischen Hauptstadt revitalisiert und noch einmal zu einem großen Erfolg geworden. Elisabeth Hauptmann, Brechts Mitarbeiterin und eine seiner zahlreichen Geliebten, hat ihn auf das Stück aufmerksam gemacht und es ins Deutsche übersetzt. Brecht war zwar zunächst desinteressiert, aber Hauptmann hat ihn so lange bekniet, bis er sich mit dem Stoff beschäftigte. Die "Beggar's Opera" war schließlich Gesellschaftssatire pur - und nebenbei auch eine Parodie auf die bombastischen Händel-Opern. Diesen geschichtlichen Kontext des Stückes greifen wir in unserer Inszenierung ebenfalls auf.

So, wie Sie das Bühnenbild beschreiben, könnte es aus einem expressionistischen Stummfilm stammen.
GOLDFARB Unsere Inszenierung hat tatsächlich einen gewissen expressionistischen Touch, der sich auch in der Maske und den Kostümen spiegeln wird. Sie will aber auch den Zeitgeist beschwören, vor dessen Hintergrund Brecht und Weill das Stück geschrieben haben. Damals sind die Leute ins Theater gegangen, um sich zu unterhalten und zu zerstreuen. Davon wollte Brecht bekanntermaßen nichts wissen. Die Mischung aus realistischem Spiel und Überhöhung, Komik, Theatralik und Opernparodie der "Dreigroschenoper" sollte die Zuschauer irritieren - und natürlich zum Nachdenken bringen.

Sie arbeiten in Trier mit einem neu zusammengestellten Ensemble. Gibt es da Probleme, die man bei einem eingespielten Team nicht hat? Oder ist es eher inspirierend, weil es frische Impulse gibt?
GOLDFARB Ganz neu ist es nicht. Einen Teil des Ensembles - Barbara Ullmann, Klaus-Michael Nix, Christopher Ryan, Norman Stehr - kennen wir ja noch aus dem letzten Jahr, als wir hier "Cabaret" inszeniert haben. Und mit den Kollegen, die erstmals in Trier arbeiten, ergibt sich eine total interessante und spannende Mischung: Extrem starke und extrem unterschiedliche Charaktere werden bei dieser "Dreigroschenoper" auf der Bühne stehen.Rainer NoldenInterview Regietrio Goldfarb & Goldfarb

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort