Geizig-akrobatische Gratwanderung

Dass Geiz noch nie geil war, zeigt die Komödie "Der Geizige" nach Moliére, die am Trierer Theater Premiere feierte. Vor ausverkauftem Haus zeigte Regisseurin Babette Peikert ihre Version des rund 300 Jahre alten Stoffes - mal komödiantisch, mal ernsthaft.

 Cléante (Jan Brunhoeber, oben links) mit Harpagon (Klaus-Michael Nix), Elise (Claudia Felix, unten links) und Mariane (Vanessa Daun). TV-Foto: Friedemann Vetter

Cléante (Jan Brunhoeber, oben links) mit Harpagon (Klaus-Michael Nix), Elise (Claudia Felix, unten links) und Mariane (Vanessa Daun). TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Geld ist das einzige, was zählt auf der Welt. Das jedenfalls meint der geizige Witwer Harpagon. Und deshalb will er wieder heiraten, um an eine stattliche Mitgift zu gelangen. Seine Auserkorene ist die genügsame Mariane. Aber auch seine Kinder will er unter Dach und Fach bringen. Sein Sohn Clèante soll eine wohlhabende Witwe vor den Altar führen, seine Tochter Mariane den reichen Bürger Anselme. Alle wollen natürlich das Wohlwollen des reichen Harpagon. Sie verbiegen sich, reden ihm nach dem Mund. Am Ende kommt natürlich alles anders als gedacht. Harpagons Schatz wird gestohlen, sein Sohn will eigentlich Mariane, während seine Tochter Valére liebt, den Sohn des vermögenden Bürgers Anselme. Ein Bühnenstück in der Tradition der italienischen Comedia del'arte, das vom Witz der Verwechslungen und dem Überzeichnen der Charaktere leben soll. Peikers Inszenierung trägt diesem Anspruch zwar Rechnung, setzt aber auch sehr eigene Akzente.Außergewöhnliches Bühnenbild

Da sind einerseits die Schauspieler selbst. Sie tragen Masken vor sich, bewegen sich in bewusst unnatürlichen Haltungen, um das "Verbiegen" um der Gunst Harpagons willen plastisch in Szene zu setzen. Und da ist andererseits das außergewöhnliche Bühnenbild, das von einer Art Schnecke dominiert wird - einem runden begehbaren Aufsatz, den Uta Kreher gestaltet hat. Dieser ist die eigentliche Bühne für Harpagon. Denn seine Figur muss ständig auf diesem schmalen Grat entlanglaufen. Das verlangt Schauspieler Klaus-Michael Nix einiges an Kondition und Akrobatik ab. Er meistert die Lauf- und Gehfiguren, die seine Rolle ihm vorschreibt, jedoch blendend.Eine Gratwanderung begeht auch Regisseurin Babette Peiker. Sie balanciert in ihrer Inszenierung zwischen intellektuellem Anspruch und dem Spaß-Effekt, den die Komödie erreichen sollte. Löblich ist ihr Ansinnen, den Moliére-Stoff aus seiner Zeit zu lösen, ihn zeitlos zu machen. Dazu setzt sie stilisierende Mittel ein, Masken, die Bühnen-Schnecke und absurd-wirkende Kostüme. Allerdings wirkt die Inszenierung an manchen Stellen fast zu streng-intellektuell - etwa wenn Harpagon über den Verlust seines Geldes sinniert. Wer eine derbe Komödie erwartet, wird an diesen Stellen sicherlich enttäuscht. Peiker setzt die Spaß-Effekte eher geizig ein - was dem Titel des Stückes wiederum entspricht. Wenn sie dann einen Gag landet, passt er zielgenau - etwa wenn Harpagon in das Publikum springt und es verhaften lassen will. Schließlich könnte auch ein Zuschauer das Geld gestohlen haben. Die Inszenierung fordert auch von den Schauspielern ein hohes Maß an Präzision, zumal diese ständig in Bewegung sind. Jan Brunhoeber überzeugt in der Rolle des Cléante ebenso wie Claudia Felix als Elise. Vanessa Daun verbiegt sich meisterhaft als Mariane. Alexander Ourth spielt den pfiffigen Valére routiniert. Manfred-Paul Hänig zeigt seine Erfahrung in der Rolle des souverän-protzigen Anselme, den er mit Lässigkeit und Liebe zum Detail darstellt. Dabei wird er von zwei Bunnies (Bernadette Borkham, Caroline Wilhelm) unterstützt, die er ständig abküsst und die ihm ergeben auf Schritt und Tritt folgen - wer denkt da nicht an den mondänen Playboy-Chef Hugh Hefner. Peter Singer besticht als Maitre Jacques, Koch und Diener Harpagons, der seinem Herrn ständig ergeben ist. Angelika Schmid (Heiratsvermittlerin Frosine), Tim Olrik Stöneberg als Cléantes Diener und Heribert Schmitt als Inspizient runden das Tableau der Darsteller ab, die die Gratwanderung von Babette Peiker mitvollziehen. Dass diese gelungen ist, beweist brausender Applaus am Ende der Premiere - besondere Bravo-Rufe erhält Klaus-Michael Nix - wohlverdient, denn allein sportlich verlangte seine Rolle ihm einiges an schweißtreibender Akrobatik ab.Weitere Termine: 23., 26., 28., März und 1. April, Kartentelefon: 0651/7181818. UMfrage Birgit Schirmer (Pronsfeld): Eine alte Klamotte, super gut aufbereitet. Diese Komödie dürfte junge Leute ins Theater locken. Ich bin wirklich überrascht: Spritzig, modern und unheimlich aktuell. Was für den einen das Loch im Garten ist, ist für den anderen Lichtenstein. Daniel Regneri (Mehring): Trotz etwas unglücklicher Bühne für einen Klassiker finde ich ein gelungenes Stück, in Sprache und Schauspiel gut umgesetzt. Klaus-Michael Nix hat den Geizhals so gespielt, wie man sich einen Geizhals vorstellt. Katja Feye (Schweich): Diese Vorstellung hat gezeigt, dass Molières Stück bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hat. Der Bogen zur Moderne stimmte. Bei den Masken war ich zunächst etwas skeptisch. In der Vorstellung fand ich es sehr, sehr gut. Klaus-Walter Thul (Ensch): Kurzweilig und hoch interessant, wobei mir Teil zwei mehr zugesagt hat. Die Rolle des Geizigen hat sehr gut zu dem Hauptdarsteller gepasst. Körpersprache, -größe und Maske von Klaus-Michael Nix haben die Rolle sehr gut getroffen. Umfrage und TV-Fotos: Ludwig Hoff

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