Grandios bunte Szenarien

LUXEMBURG. Er war wohl der prominenteste Fluggast jener Unglücksmaschine, die im November 2002 kurz vor der Landung in Luxemburg abstürzte. Ein 35jähriger Berliner vom Prenzlauer Berg sei unter den Opfern meldeten die Nachrichtenagenturen. Wie sich herausstellte, war einer der erfolgreichsten Künstler Luxemburgs ums Leben gekommen. Eine eindrucksvolle Schau im Luxemburger Museum für Moderne Kunst (Mudam) erinnert jetzt an Michel Majerus.

 Das Foto zeigt einen Ausschnitt aus dem Bild "Thälmannkart" des Malers Michel Majerus. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Das Foto zeigt einen Ausschnitt aus dem Bild "Thälmannkart" des Malers Michel Majerus. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Michel Majerus war auf dem Weg nach Hause, als ihn der Tod ereilte. Ein schwieriges Vaterland sei Luxemburg für seinen Sohn gewesen, erinnert sich Jean Majerus, der Vater des Künstlers. Schon in der Schule habe er sich mit seinem Kunstlehrer gestritten. Sein Verhältnis zum landeseigenen Berufsverband der Bildenden Künstler (CAL) habe dem eines unverstandenen Sohnes entsprochen. Nun nach Jahren und etlichen Absagen hatte der Maler, der gleich nach dem Abitur an die Stuttgarter Kunstakademie "emigriert" war, eingewilligt, die Halle des neuen Museums für Moderne Kunst (Mudam) zu gestalten. Majerus jäher Tod machte das Projekt zunichte. Jetzt widmet das Haus dem früh Vollendeten eine Retrospektive.Eine riesige Spielwiese für den Maler

Die Schau ist Teil einer Koproduktion der Hamburger Deichtorhallen, des Stedelijk Museum Amsterdam, des Kunsthauses Graz und und der Kestnergesellschaft Hannover. Für das Mudam wurde sie von der Galerie Neugerriemschneider Berlin, die den Künstler vertritt, gemeinsam mit dessen Familie neu eingerichtet. Keine Frage: Absagen war Michel Majerus' Ding. "Mein Werk funktioniert gerade dadurch, dass jeglicher Anspruch auf authentische Kultur und Lebensweise als illusionär vorausgesetzt wird" - so seine kategorische Absage an alle herkömmlichen kunst- und kulturgeschichtlichen Ordnungssysteme. Eine riesige globale Spielwiese ist die Moderne für den Künstler. Unbekümmert tobt er sich darin aus, zitiert pausenlos seine Helden, um sich ihrer dann mit dem nächsten Pinselstrich zu entledigen ("Baselitz fuck it"). Majerus ist authentisch. Pop Art, Minimal Art, Digitale Bildbearbeitung sind seine bevorzugten Mittel, die er mit den eigenen zeitgenössischen Zeichen belebt. Durchmischung prägt das Werk des rastlosen Kunst Workaholics, der zwischen Berlin und den amerikanischen Kunstzentren pendelt. Zwischen Tafelbild und Rauminstallation ist er unterwegs. Riesige Bildwände schafft er, um sie gleich darauf zu einem neuen Raumbild zu installieren. All das ist in Luxemburg am Beispiel belegt. Freilich: der Installationskünstler, der Erfinder neuer Räume bleibt dort eher blass. Dafür ist der Maler umso eindrücklicher. Faszinierend ist die Lebendigkeit seiner Gemälde, ihre Vitalität, ihre Farbkraft, ihr genaues Gespür für diese Zeit. "Now's the time": Michel Majerus ist ein großartiger Erzähler von Jetztzeit-Geschichten. Seine bunte Fabulierkunst schafft grandiose Szenarien dieser Welt, mit ihrer Schokoladenriegel- und Disneyland-Kultur, ihren knalligen, plakativen Wahrheiten, ihrer Klicky- und Diddle-Ästhetik., ihren Konsum-Junkies und ihrem Griff nach den Sternen ("Overdosis", "Controlling the moon light"). Nicht immer ist die Malerei anregend präsentiert. Hyperdidaktisch wirkt der Raum mit den explosiven "Splash Bombs". Das Prinzip: Motiv mit Variationen immer an der Wand lang mag für Kunststudenten ergiebig sein, für "normale" Besucher ist es ermüdend. Bis 7. Mai, Mudam, Luxemburg, Telefon 003524537851, www.mudam.lu, Öffnungszeiten: täglich 11-18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr, Di. geschlossen. Katalog 29 Euro.

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