Großer Abend mit Tschaikowski

LUXEMBURG. (gkl) In der Neuen Freien Presse aus Wien stand einmal zu lesen: "Friedrich Vischer behauptete, es gäbe Bilder die man stinken sieht. Dieses Violinkonzert bringt uns zum ersten Mal auf die schauerliche Idee, ob es nicht auch Musikstücke geben könnte, die man stinken hört." Das war 1881, verfasst vom berühmt-berüchtigten Eduard Hanslick.

Subjekt seiner Besprechung war das Violinkonzert D-Dur von Peter Iljitsch Tschaikowsky. Heute gehört dessen Opus 35 zu den Standardwerken des großen Konzertgeschehens. Das Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL) unter Leitung von Claus Peter Flor und der griechische Geiger Leonidas Kavakos brachten das Werk bei den Echternacher Festspielen zu Gehör. Um den Bezug zu Hanslick nicht ganz zu verlieren: In Luxemburg hat nichts gestunken, nichts hat Nase oder Ohr beleidigt. Ganz im Gegenteil. So wie das Konzert erklang, wurde man eher an einen guten Wein erinnert, der alle Sinne stimuliert, seine Erdverbundenheit nicht leugnet, aber sich auch seine feinen, frischen Sommernuancen bewahrt hat. Kavakos gehört nicht mehr zu den Jungkünstlern, steht schon seit 20 Jahren auf dem Podium. Trotzdem hat er sich in seinem Spiel einen gewissen jugendlichen Charme bewahrt, spielt nicht kopflastig, sondern mit seinem ganzen Körper. So signifikant auch die Virtuosität für dieses Konzert sein mag, fast imponierender war Kavakos' Fähigkeit, ein zartes Piano aus seiner Stradivari zu zaubern, filigran, zerbrechlich, trotzdem präsent. Das OPL war für Kavakos gerade in dieser Hinsicht ein optimaler Partner. Was dieses Orchester als Dialog im Violinkonzert begann, setzte es in den "Bildern einer Ausstellung" von Modest Mussorgski in der Orchesterfassung von Maurice Ravel nahtlos fort. Diszipliniertes Musizieren, spannungsgeladene Präsenz, kultiviertes Fortissimo und ein phänomenal schönes Pianissimo insbesondere bei den Bläsern prägten das Bild. Hatte Flor beim Violinkonzert auch etwas Probleme, Orchester und Solist zusammen zu bringen, bei Mussorgski war er Herr der Situation. Seine musikalischen Vorstellungen konnten auch jene Konzertbesucher überzeugen, denen die originale Klavierfassung des Werkes eigentlich lieber ist.

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