Happy-End mit der blonden Elfe

TRIER. "Lord of the Dance" ist mit mehr als 70 Millionen Zuschauern weltweit eine der erfolgreichsten und populärsten Show-Produktionen der Gegenwart. Um mit der Nachfrage Schritt halten zu können, ist die Show mit mehreren Gruppen parallel unterwegs. Eine davon begeisterte 2100 Zuschauer in der Arena Trier.

Irland. Die grüne Insel. Pragmatiker denken an politische Unruhen, Schafe und stürmisches Wetter. Michael Flatley - Choreograph, Regisseur und Weltrekordhalter im Hochgeschwindigkeits-Stepptanz - hat mit Pragmatismus nicht sehr viel am Hut. Wer seinen "Lord of the Dance" sieht, gibt den Realitätsbezug ebenfalls gerne für zwei Stunden ab.Melodisch und optisch mitreißend

Zwei Protagonisten - einer gut, einer böse - kämpfen um den Titel des "Herrn des Tanzes", flankiert von rivalisierenden Armeen, Feen und temperamentvollen Geigerinnen. Die locker auf der Legende des "Lords der Finsternis" basierende Geschichte hat mit irischer Folklore etwa so viel zu tun wie Karl Mays Werke mit einer realistischen Darstellung des Wilden Westens, doch das nimmt ihr niemand übel. Im Gegenteil: Die melodisch und optisch mitreißende Revue ist ein Euphorie-Garant. Furios und überzeugend steppen die Tänzer den Zuschauern ihren Rhythmus ins Blut. Nach der letzten Verbeugung des sehr guten Ensembles steht das Trierer Publikum auf den Stühlen. Aber von Anfang an: Blau-grünes Licht, lodernde Fackeln und eine kleine goldene Koboldin mit einem sehr hohen Niedlichkeitsfaktor leiten die Show ein. Die kleine Gestalt spielt das Hauptthema des Stücks auf ihrer Flöte - ruhig und beinahe andächtig. Genau diese Melodie wird später wesentlich schneller und heftiger die wirbelnden Hacken von 30 Tänzern begleiten. Der amtierende "Lord of the Dance" tritt auf. Michael Flatley hat diesen Part früher selbst getanzt, heute wird die Hauptrolle von alternierenden Steppstars besetzt. Wodurch die Qualität der Show jedoch nicht leidet. Flatleys Handschrift ist unverkennbar. Charismatisch und mit großer Gestik - und natürlich mit Füßen, die sich in Lichtgeschwindigkeit zu bewegen scheinen - beherrscht der Held seine Bühne, dirigiert die bewegungssynchron wirbelnde Tänzergruppe, fegt seinen im Batman-Look das Böse personifizierenden Kontrahenten hinweg und erlebt ein Happy-End mit der blonden, elfenhaften Solo-Tänzerin. Auch von diesen gibt es zwei, doch mit der lasziven Schönheit im roten Kleid konnte der Herr des Tanzes offenbar nichts anfangen. Es stimmt einfach alles. Die Taps der Tänzer werden technisch verstärkt, die Musik kommt vom Band, doch das ändert nichts an der Wirkung des spektakulären Bühnenereignisses. Wer "Lord of the Dance" eine Verfremdung irischer Folklore vorwirft, sollte sich vor Augen halten, dass Karl Mays Bild des Wilden Westens Millionen Leser mehrerer Generationen begeistert hat.

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