Heckenschützen hinter Sofakissen

TRIER. Gegen künstlerische Einsiedelei und nationale Abgrenzung richtet sich die neueste Schau in der Trierer Tufa.

Gruppendynamische Aktionen gelten gemeinhin als löblich. Wirkensie Länder verbindend, stehen sie gar im Ruf des Verdienstvollen.Das ist auch so mit dem jüngsten großregionalen Kunstaktion "MeinAldi - mon Cora De lux", die derzeit in der Trierer TufaHalt macht. 50 bildende Künstler und Schriftsteller aus demSaarland, Lo- thringen, Luxemburg, Wallonien und ausRheinland-Pfalz hatten sich, ausgestattet mit je zehn Euro,aufgemacht, um bei den europäischen Nachbarn einzukaufen. Was siebei ihrem großregionalen Kaufrausch bewegte und was ihnen zu denerworbenen Produkten eingefallen ist, haben die Künstleranschließend ins Bild gesetzt und im Katalog ausführlichkommentiert. Als gemeinschaftliche Großoffensive bereist die vom Saarländischen Künstlerhaus initiierte Aktion seit einigen Monaten die beteiligten Städte Saarbrücken Metz, Luxemburg, Esch sur Alzette, Trier und Pirmasens. Dass die Saar-Lor-Lux-Gemeinschaftsschau jetzt auch im heimischen Trier zu sehen ist, freut Kulturdezernent Holkenbrink genauso wie die beteiligte Gesellschaft für Bildende Kunst: "Wir haben damit sozusagen die Europäische Kulturhauptstadt 2007 vorweggenommen." Für Konsumartikel und Nahrungsmittel haben die Künstler zumeist ihr Budget verwandt. Die daraus folgenden kritischen Gedanken zum Konsum an sich und zur Konsumentenlage im Besonderen haben sie in unterschiedliche Medien transportiert.

Von der traditionellen Zeichnung über das Gemälde bis hin zur Objekt- und Videokunst reicht die Bandbreite. So groß wie die Fülle der Techniken und Ausdrucksmöglichkeiten ist das bildnerische Gefälle der Arbeiten. Besonders problematisch stellt sich die Beteiligung der Schriftsteller als bildende Künstler dar. Denen bleiben eigentlich zum Trost nur die geplanten Lesungen.

Als mit Abstand hintergründigste Arbeit der Schau fällt das Video von Jerry Frantz auf. Eine antiquarisch erworbene Ausgabe von Hitlers "Mein Kampf" staubt der Luxemburger Künstler nach allen Regeln der Kunst darin ab. Unter den Trierer Teilnehmern überzeugt besonders Stephan Philipps. Statt Hühnerknochen hat sich der Künstler diesmal ein Sofakissen geleistet, um bürgerliche Schein- idylle waidmännisch aufs Korn zu nehmen. Hinter der betulichen Blütenpracht seiner Kissenhülle lauern allerorts heimtückische Heckenschützen.

Gefahr wittert auch Markus Himmel aus Saarbrücken. Die Allmacht der Supermärkte macht nicht mal vor den Kleinsten Halt, wie die mit Aldi- und Cora-T-Shirts bekleideten Kids zeigen. Wie weit das vereinte Europa noch voneinander entfernt ist, demonstriert witzig Luciens Schmitthäuslers Steckdosen-Montage. Schlüssig unterläuft auch Frauke Eckhardts Energiefluss die nationalen Grenzen. Gegen die Scheuklappen des landeseigenen Kunstbetriebs will die Schau helfen. Allein: Gemeinschaft macht noch keine Kunst. Einmal mehr zeigt sich: Kunst ist ein einsames Ringen, das auch in der Gruppe nicht leichter wird.

Bis 30. März, di-fr. 14 bis 17 Uhr, sa. u. so. 11 bis 17 Uhr.

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