Heiße Ware im Tabaklager

TRIER. Der Buchautor Imre von der Heydt hat Furore gemacht mit einer ebenso provokativen wie geschliffenen Streitschrift zugunsten dessen, was er "Kultur des Rauchens" nennt. Nach Trier kam er zu einer Lesung in passendem Ambiente.

Breiter, teigiger Tabakgeruch schwängert die Luft. Nicht zu vergleichen mit den beißenden Ausdünstungen einer brennenden Kippe. Eher ein schweres, duftiges Aroma, wie in einem Weinkeller. Nur dass keine Fässer an den Wänden stehen, sondern zweifamilienhaushoch gestapelte Tabakkisten. Es ist eiskalt, überall registrieren kleine graue Kästen das Klima. In einer verschwiegenen Ecke des Tabaklagers 14 im Trierer JTI-Werk hat man eine kleine Bühne und drei Dutzend Stühle aufgestellt. In der Ecke flackert ein künstliches Feuerchen, zwei Heizlampen brubbeln vor sich hin - das Ambiente wirkt fast konspirativ. Vielleicht soll es auch so wirken. Denn der Mann, dem zu lauschen die kleine, aber erlesene Zuhörerschar gekommen ist, handelt mit heißer Ware. Imre von der Heydt hat ein Buch geschrieben, dass unter dem Titel "Rauchen Sie?" zur "Verteidigung einer Leidenschaft" antritt. Tatsächlich: Da bettelt einer nicht um Gnade für arme Suchtkranke, erheischt keine Nachsicht für eine vermeintliche Schwäche. Da fordert jemand Respekt für ein in Verruf geratenes Kultur-Ritual, eines, das, wie er mit Hilfe höchst renommierter Zeitzeugen und Denker nachweist, über Generationen von Menschen tradiert worden ist, das Anfeindungen und Verfolgungen überstanden hat, mal als letzter Trost, mal als harte Währung fungierte. Der 42-Jährige, studierter Philosoph und Theaterwissenschaftler, im Hauptberuf Produzent erfolgreicher Fernsehcomedys wie "Atze" und "Ritas Welt", hat es mit seinem Buch bis in die Feuilletons von Zeit, FAZ oder SZ gebracht. Das kann kaum daran liegen, dass dort nur Kettenraucher säßen. Die Faszination, die das Werk auch auf Nichtraucher ausübt, hängt eher mit dem Faktenreichtum, der stilistischen Brillianz, dem unterhaltsam-ironischen Ton und dem Mut zusammen, gegen gesellschaftlichen Mainstream anzutreten. Egal, ob von der Heydt vom Genuss des Rauchens schwärmt oder die Nikotin-Gegner geißelt: Er bringt seine Provokationen bei der Lesung in geradezu heiterer Gelassenheit vor. Von "puritanischen und missionarischen Verfolgungsakten" gegen Raucher spricht er, von manipulierten Gefahrenstatistiken, von "Paranoia", vor allem in den USA. Warum es gerade gegen die Raucher geht, dafür hat er eine einleuchtende Erklärung parat: Weil das Rauchen seinen Gegnern "in einer zunehmend unübersichtlichen Welt einfache und klare Feindbilder liefert". Auf den Einwand einer Zuhörerin, es seien doch häufiger die Nichtraucher, die unter der Belästigung durch intolerante Raucher litten, zeigt von der Heydt Einsicht: Womöglich sei der Anti-Raucher-Kreuzzug auch "ein Stück Rache für frühere Exzesse der Raucher". Dass Rauchen ungesund ist, bestreitet er nicht. Aber er klagt das Recht ein, sich auch für ungesunde Genüsse zu entscheiden. Und er sammelt Mitstreiter. Wartet nur, signalisiert er, ihr Übergewichtigen und Extremsportler, ihr Jogging-Verweigerer und Starkbier-Trinker, wenn die Gesundheitsfanatiker uns klein gekriegt und zu gesellschaften Parias degradiert haben, dann seid ihr dran. Man muss kein Raucher sein, um seine Befürchtung zu teilen.

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