"Herr Lehmann? Ich hoffe, er lebt noch"

Was hat Herbert Grönemeyer mit Manipulation zu tun? Und was macht eigentlich der Romanheld Herr Lehmann? Das verrät Sven Regener, Schriftsteller und Kopf der Rockband Element of Crime im Interview.

Trier. (AF) Lyrik umarmt Rock: Sven Regener tritt mit Element of Crime am Freitag, 14. September, auf der Exhaus-Sommerbühne auf. Der TV, der das Konzert präsentiert, hat mit dem 46-jährigen Sänger, Trompeter und Autor gesprochen. Ein Kritiker schrieb vor Jahren, Ihre Band "Element of Crime" erinnere an Kurt Weill, so wie er heute klingen könnte. Ihre Texte verglich er mit Brecht. Wie viel Wahrheit steckt da drin? Regener: Das hat man Anfang der 90er so beschrieben, weil es diese Art von Rockmusik auf Deutsch vorher nicht gab. Da haben wir eine eigene Nische besetzt. Das fiel zusammen mit einer Kurt-Weill-Geschichte in der Schweiz. Zudem gab es eine Element of Crime-Version von Weills "Surabaya Johnny" - damit hat es sich aber auch mit Weill. Das ist Theatermusik, wir sind eine Rockband. Mit Brecht haben wir auch nicht so richtig zu tun. Wenn man Lyriker ist oder Songtexte schreibt, ist der Vergleich mit Bertolt Brecht aber natürlich schmeichelhaft. Sie gelten als politischer Mensch. Wäre eine politische Karriere eine Alternative zu Musik oder Literatur gewesen?Regener: Nein. Wenn ich eine politische Karriere hätte machen wollen, hätte ich das ja versucht. Aber das würde dann in keinem Zusammenhang stehen mit dem, was ich als Musiker mache. Für Musiker gilt, wie für jeden anderen Menschen auch, dass er seine politische Meinung äußern kann, das ist kein Problem. Problematisch wird es, wenn man glaubt, beides miteinander verknüpfen zu müssen. In der Politik hat nicht unbedingt derjenige recht, der am schönsten singt.Ein Seitenhieb in Richtung Grönemeyer, Bono & Co.?Regener: Nur weil Grönemeyer etwas sagt, ist es noch lange nicht richtig. Das eine ist Musik, das andere eine politische Äußerung. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Wenn ich Grönemeyers Musik gut finde, muss ich dann auch richtig finden, was er sagt? Das wäre ja eine Entmündigung. Also ist doch der Versuch, die Popularität, die aus der Musik kommt, für politische Zwecke zu benutzen, eine Form von Manipulation. Im Song "Delmenhorst" singen Sie: "Erst wenn alles scheißegal ist, macht das Leben wieder Spaß." Das hört sich fast nach Punk-Statement an. Wie viel Punk steckt in Ihnen?Regener: Ich kann nicht sagen, dass ich jemals richtig Punk war. Die Musik, die ich und auch die anderen in der Band Anfang der 80er in Berlin gemacht habe, war vom Punk beeinflusst, Vieles davon hätte es ohne Punk nicht gegeben. Das gilt letztlich auch für Element of Crime. Was darf man am Freitag beim Auftritt auf der Exhaus-Sommerbühne erwarten? Regener: Wir werden viele Songs vom neuen Album spielen, aber auch einiges, was man lange nicht mehr gehört hat.1994 und 1997 haben Sie bereits schon mal an gleicher Stelle gespielt. Erinnern Sie sich?Regener: Ja, ich erinnere mich an einen Burg- oder Schlosshof und an ganz viele Regenschirme. Wir hatten ein Hotel an der Mosel, das war sehr beeindruckend. Sie sind auch als Schriftsteller sehr erfolgreich. Arbeiten am dritten Roman über Frank Lehmann. Wie kommen Sie voran?Regener: Ganz prima, ich bin schon zur Hälfte durch. Im Herbst nächsten Jahres soll er erscheinen. Was macht Herr Lehmann heute, gerade im Moment?Regener: Wollen wir hoffen, dass er noch lebt.Sie sollten das wissen, Sie sind ja sozusagen sein Vater…Regener: Das ist ja das Schöne daran. Man kann sie erschaffen oder auch sterben lassen. Aber mit dem heutigen Herrn Lehmann habe ich nicht viel am Hut. Ich befasse mich derzeit mit dem Herrn Lehmann im Jahr 1980. Im Augenblick versuche ich zu zeigen, wie er zu dem wurde, was er ist. Und wie er sich innerhalb von ein, zwei Tagen in Berlin ein neues Leben aufbaut. Mit Sven Regener sprach TV-Redakteur Andreas Feichtner Karten gibt es in den TV-Presse-Centern Trier, Bitburg und Wittlich.

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