Himmel und Hölle

Um Trier macht er nach wie vor einen Bogen, in Kaiserslautern wird er gefeiert: Ex-Intendant Heinz Lukas-Kindermann inszenierte am Pfalz-theater eine begeistert aufgenommene Produktion der "Faust"-Oper "Mefistofele" von Arrigo Boito.

 Untröstlich: Margarete (Adelheid Fink) und Faust (Fernando del Valle). Foto: Pfalztheater

Untröstlich: Margarete (Adelheid Fink) und Faust (Fernando del Valle). Foto: Pfalztheater

Kaiserlautern. Was für ein wunderbar anregendes Bühnenbild: Lauter schiefe Ebenen, angeordnet wie das Innere eines aus Papier gefalteten Himmel-und-Hölle-Spiels, wie es früher auf keinem Schulhof fehlte. Die Flächen sind übersät mit Schriftzeichen, die man außen noch gut auseinander halten kann, die aber zur Mitte hin zu einem fast bedrohlichen schwarzenBrei verlaufen. Von Bild zu Bild verschieben sich die Ebenen, mal hermetisch abgeriegelt, mal mit offenem Blick ins Freie. So wie die "Faust"-Szenen es brauchen, die der Komponist wie Mosaiksteinchen aus Goethes Werk herausgebrochen hat. Der Dichterfürst ist übrigens auch präsent, auf einem Zwischenvorhang mit 20 Goethe-Klonen, die man früher vielleicht "Homunculi" genannt hätte.Das Duo Heinz Lukas-Kindermann/Heidrun Schmelzer, das in Trier Inszenierungen wie "Tosca" und "Die Zauberflöte" herausbrachte, entfaltet auch im Pfalztheater jene Faszination, die aus packenden Bildern und exakter Personenführung resultiert. Wenn Mefistofele dem Zeichen-Dschungel entsteigt, in dem Gretchen später untergeht, wenn der Teufel und Faust ein Psycho-Duell austragen, wenn sich im zweiten Akt buchstäblich alles um das Bett dreht - dann hat das viel mit Theater-Magie zu tun, die das Publikum in ihren Bann zieht.Hemmungsloses Sentiment und brachiale Kraft

Wer sich da noch entziehen könnte, den fängt die Musik ein. Unbegreiflich, dass Boitos Oper, die vom hemmungslosen Sentiment bis zur brachialen Kraft alles hat, was des breiten Publikums Herz begehrt, nicht zu den allerersten Werken des Repertoires gehört. Da vereinigen sich Verdi'scher Charme und Wagner'sche Wucht so populistisch, dass der Kritiker tadelnd die Augenbrauen lupft, aber gleichzeitig mitwippt und -fiebert. Das Orchester des Pfalztheaters musiziert unter der Leitung von Till Hass transparent und fein, ohne im Fall der Fälle die Durchschlagskraft vermissen zu lassen. Die Chöre sind problematisch, was aber damit zu tun hat, dass man für Boitos Klangwogen durchaus eine Hundertschaft an Chorsängern gebrauchen kann, aber meist nur ein Drittel davon zur Verfügung steht. Von den Sängern sorgt allein Adelheid Finks "Margarete" für ungetrübte Glücksgefühle, mit schönen Piani und berührender Innigkeit. Fernando del Valles stimmschöner "Faust" verbrüllt ausgerechnet seine anfängliche Parade-Arie, entwickelt aber dann zunehmend ein Gefühl für die Differenziertheit der Rolle und die Feinheiten der gesanglichen und szenischen Gestaltung, bis hin zu einem berückenden Gefängnis-Duett mit Margarete.Johann Smari Saevarsson ist ein glänzend spielender, eleganter Bösewicht, dem aber - zumindest an diesem Abend - die Durchschlagskraft fehlt, die für Mefistofele unverzichtbar ist. Überzeugend die Helena von Laurie Gibson. Das Publikum wollte gar nicht aufhören zu applaudieren. Und Kaiserslautern ist gerade mal eine Autostunde weg.Vorstellungen: 6., 8., 10. Juli. Karten: 0631/3675-209. Info: www.pfalztheater.de

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