Höhepunkte einer Doktorarbeit

TRIER. Es ist nicht erstaunlich, dass Doktorarbeiten ungewöhnliche Themen haben. Dass sie aber auch richtig komisch sein können, beweisen Charlotte Roche und Christoph Maria Herbst. Zu ihrer Doppel-Lesung aus der Dissertation "Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern" kamen insgesamt 500 Besucher in die Trierer Diskothek "Forum".

Neben mir sitzt eine junge, wie man zu neudeutsch sagt: "stylish" gekleidete Frau, die sich die Fingernägel poliert und sich dabei mit ihrem anderen Nachbarn über Trends im Mobiltelefonbereich unterhält. Auch sonst hat sich in der Trierer Diskothek "Forum" ein eher untypisches Lesungspublikum eingefunden. Das liegt zum einen am Thema der Veranstaltung, zum anderen an den bei 16- bis 25-Jährigen populären Vortragskünstlern. Die ehemalige "Viva"-Moderatorin Charlotte Roche und der Schauspieler Christoph Maria Herbst ("Ladykracher", "Stromberg") lesen zwei Mal aus der Doktorarbeit "Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern".Ein Gast wird ohnmächtig

Zunächst kommt ein Phänomen auf, dass schon Max Goldt in einer seiner "Titanic"-Kolumnen kritisierte. Dass Menschen bereits bei der bloßen Nennung eines Wortes oder Namens anfangen, zu lachen. In Goldts Fall war es die Erwähnung von "Uschi Glas", bei Herbst genügte das Vorlesen von "Urologische Klinik". Herbst und Roche verlassen deshalb wieder die Bühne, um noch einmal von vorn anzufangen. Ganz so albern soll die Lesung schließlich nicht werden. "Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern" ist eine Dissertation von 1978. Der Autor besteht auf Anonymität, weil er noch als Urologe praktiziert. Für die Lesung wurden die Arbeit gekürzt und die Namen der Betroffenen geändert. Zunächst eine kurze Einführung mit einer Definition über Masturbation, technischen Daten über den von allen Patienten verwendeten Staubsauger der Marke "Vorwerk" und anatomischen Erklärungen des Gliedes. Einige Zuhörerinnen giggeln bereits hier wie pubertierende Schulmädchen. Der eigentlich komische Teil sind jedoch die anschließenden Fallstudien. Fünfzehn Patienten wurden unter die Lupe genommen. Das ist durchaus auch buchstäblich zu verstehen, denn von deren Geschlechtsteilen blieb, wie die beiden Künstler anhand von projizierten Fotos veranschaulichen, nach der Zweckentfremdung des Staubsaugers nicht mehr viel übrig. Beim Betrachten der verstümmelten Genitalien entsteht empfindliches Missbehagen. Ein Besucher wird sogar ohnmächtig. "Das kommt häufiger bei unseren Lesungen vor", meint Roche gelassen. Die Moderatorin liest unverstellt und meist mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht, ihr Partner ernst und professionell. Seine Lesegeschwindigkeit und Intonation sind gut und verstärken die ungewollt komischen Elemente. Nicht nur des Ausdrucks wegen, sondern auch wegen seiner Mimik erinnert er stark an Harald Schmidt. Komischer Höhepunkt sind die Erklärungen der Patienten zur Entstehung ihrer Verletzungen. Einige gaben zwar zu, sich mit dem Staubsauger verwundet zu haben, "wiesen aber masturbatorische Absichten von sich". So will sich einer beim Rückenmassieren verletzt haben, ein anderer beim Autowaschen. Ein Betroffener behauptete gar, seine Verstümmelung habe er sich beim Reparieren einer Kaffeemühle zugezogen. Dass alle Patienten sich mit einem "Vorwerk Kobold"-Staubsauger massakrierten, liegt daran, dass der Rotor des Motors nur elf Zentimeter von der Öffnung des Ansaugstutzens entfernt ist. Nach Veröffentlichung der Dissertation hat "Vorwerk" durch technische Veränderungen das Verletzungsrisiko reduziert. So hat die Arbeit für (fast) alle einen Nutzen gehabt: Der Verfasser wurde Doktor, die Zuhörer amüsieren sich prächtig, und Männer mit ungewöhnlichen Selbstbefriedigungstechniken können sich wieder weitgehend gefahrlos Erleichterung verschaffen.

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