Hoffnungsschimmer in dunkler Zeit

TRIER. Rudolf Mauersberger "Dresdener Te Deum", das unter dem Eindruck der Zerstörungen in der letzten Kriegszeit geschrieben wurde, und dazu Bruckners e-Moll-Messe: Nichts hätte die Trierer "GeDenktage" zum Jahrestag des Kriegsendes eindringlicher abschließen können als dieses große Konzert in der Abteikirche St. Matthias.

Es ist ein fast erschreckender Moment: die brausende Orgel, die scharfen Glockenklänge, die Pauken, die düster schreitenden Bassfiguren. Und der Chor dann mit dem Introitus "Deus in adiutorium meum intende" in wuchtiger Feierlichkeit.Das Werk beginnt wie eine Totenmesse

Das "Dresdener Te Deum" beginnt wie eine Totenmesse, ein großer dunkler Gesang. Der Kreuzkantor Rudolf Mauersberger hat das Werk in den Jahren 1944 und 1945 in schwierigsten Verhältnissen unter dem Eindruck des katastrophalen Kriegsendes geschrieben. Es ist keine ganz große Musik. Dafür fehlen ihm die Differenzierungen, die Vielfalt, die klangliche Brillanz und das harmonische Raffinement. Aber was ihm an künstlerischer Bedeutung abgehen mag, ersetzt das Werk durch menschliche Größe. Rudolf Mauersberger hat seine persönlichen Ängste und Hoffnungen, die damals Ängste und Hoffnungen vieler Menschen waren, in Musik gesetzt - ein einzigartiges, beklemmendes Zeitdokument, in dem die Musik der Konfessionswirren aus Reformationszeit und Dreißigjährigem Krieg mitklingt wie eine ferne Erinnerung. Und sie musizieren das Stück aus, die Sängerinnen und Sänger des Spee-Chors unter Martin Folz - stark, deutlich, wohl artikuliert. Bis ins Kirchenschiff hinein wird das ganz persönliche Engagement jedes Einzelnen spürbar. Das Philharmonische Orchester Trier trägt den Gesang mit, ergänzt ihn im vorzüglichen Bläsersatz, grundiert ihn mit den Streichern. Und alle beschwören die vielschichtige Feierlichkeit dieser Musik. Dazu, mit dem "Te Deum" verzahnt, Bruckners Messe in e-Moll. Durch die Verbindung mit Mauersbergers Komposition entwickelt sich diese Messe, die auch in Kirchen meist klingt wie ein geistliches Konzertstück, zum tief bewegenden Andachtswerk. Dabei setzt Martin Folz gar nicht auf Weihrauch und Innerlichkeit, sondern auf einen gradlinigen, offensiven Interpretationsstil. Er geht das Credo schneidig an, meidet im Kyrie die Langsamkeit, die dem Komponisten vorgeschwebt haben muss. Bruckners gewaltiger Gläubigkeit schadet das nicht. Zumal der Spee-Chor die Klippen der schwierigen Komposition bewältigt und die Bläser des Philharmonischen Orchesters mit Kultur und Reinheit musizieren. So verbanden sich zwei Kompositionen zu einem gemeinsamen Gedenken. Rudolf Mauersberger setzt ans Ende des "Te Deum" Worte der Erlösung. Trotz ihrer Erinnerungen an Krieg und Zerstörung ist diese Musik doch mehr als nur Klage. Da leuchtet mitten in der Dunkelheit von Schuld, Trauer, Vernichtungsangst, Verstörung und Aussichtslosigkeit ganz von weitem ein Schimmer von Glück, dem Glück des Entronnenseins. Warme, anhaltende Zustimmung in der voll besetzten Abteikirche St. Matthias. Welch ein bewegendes Gedenken an die Niederlage, die Befreiung war!

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