Hohe Töne, niedriger Zulauf - Den Trierer Sängerknaben fehlt Nachwuchs

Trier · Singen ist Trend - üblicherweise aber in Fernseh-Casting-Shows. Die Trierer Sängerknaben halten mit professioneller Ausbildung und Gemeinschaftsgefühl dagegen. Der Nachwuchs fehlt trotzdem.

 Mit Eifer dabei: die jüngsten Trierer Sängerknaben bei der Probe. TV-Foto: Lisa Bergmann

Mit Eifer dabei: die jüngsten Trierer Sängerknaben bei der Probe. TV-Foto: Lisa Bergmann

Foto: (g_kultur

Trier Fünf Jungen im Grundschulalter stehen hochkonzentriert vor einer Tafel, darauf stehen die Noten "g" und "a". Ihre Aufgabe heute: Sie sollen die Noten in verschiedenen Tonhöhen singen, einer nach dem anderen. Mit der Hand zeigen sie Chorleiterin Orsolya Andolfi, auf welcher Höhe sie gerade sind. Ein Klacks für die Fünf- bis Siebenjährigen. "Ihr habt alle bestanden", sagt Andolfi - sichtbar zur Freude ihrer kleinen Schüler.

Die fünf gehören zum insgesamt sechsköpfigen sogenannten Vorchor der Trierer Sängerknaben. Nach etwa einem Jahr können sie von hier in den Haupt- oder Knabenchor wechseln und treten dann auch öffentlich auf. Der Ordensbruder Basilius Wollscheid gründete 1962 die Sängerknaben - aus dem Wunsch, heraus, mit Jungen musikalisch zu arbeiten. Die Tradition ist bis heute erhalten geblieben, Mädchen sind nicht zugelassen. "Der reine Klang eines Knabenchors ist etwas ganz Eigenes, Besonderes", sagt Volker Erkel, zuständig für Organisation, Planung und Logistik im Trägerverein der Sängerknaben. Dieses Besondere machte den Chor in früheren Jahrzehnten zu einer beliebten Anlaufstelle für junge Gesangstalente. Von den 1970er bis -90er Jahren war der Zulauf so enorm, dass der Verein nur alle zwei Jahre einen neuen Ausbildungsjahrgang anbot.

Das ist heute ganz anders - jederzeit werden neue Talente aufgenommen. "Es ist nie genug", sagt Erkel. 15 Knaben singen im Chor, im Vorchor sind es sechs. 30 bis 40 waren es mal. "Wir reden aber gar nicht so gerne über die Zahlen", sagt Volker Krebs, seit 2010 der Chorleiter der Knaben. Lieber betont er, was die Sängerknaben unterscheidet, etwa von Gesangsschulen oder den nach wie vor beliebten Casting-Shows im Fernsehen. Sie setzen hier auf Gemeinschaft, auf Erlebnisse. Nicht nur bei Proben und Auftritten, dreimal im Jahr geht es gemeinsam auf Ferienfreizeit, unter anderem in das vereinseigene Ferienhaus bei Zemmer (Kreis Trier-Saarburg). "Die Knaben halten zusammen", sagt Krebs.

Ein noch wichtigeres Alleinstellungsmerkmal sei aber die Ausbildung, die die Kinder hier erhalten. Sie lernen laut Krebs, gesund mit ihrer Stimme umzugehen. Dazu kommen Notenlehre, Rhythmus, Koordination. "Und das alles kostenfrei", sagt Erkel. Beiträge werden von den Kindern beziehungsweise ihren Eltern nicht erhoben. Stattdessen finanziert der Orden der Barmherzigen Brüder den Verein, hinzu kommen Spenden und die Aktivitäten des Fördervereins.

Dass der Zulauf trotz des großen Angebots so gering ist, hat laut Erkel und Krebs mehrere Gründe. Das Freizeitangebot für die Kleinen sei insgesamt riesengroß. "Und unsere Gesellschaft tauscht ruckzuck aus", sagt Krebs. Heute Chor, morgen Tennis, übermorgen der Malkurs. Auch die Probezeiten könnten möglicherweise so manchen schrecken: zwei Stunden in der Woche probt der Vorchor, vier Stunden plus Stimmbildung sind es beim Hauptchor. Viel Zeit, gerade wenn die Kinder eine Ganztagsschule besuchen.

Vielleicht liegt es aber auch am Repertoire. Der Chor singt kirchliche Lieder, begleitet Hochämter und hat sogar im Petersdom in Rom schon gesungen. "Das macht es auch schwieriger", sagt Krebs. Die Jungs, die schon dabei sind, hält nichts davon ab. Eifrig sind sie, besonders im Vorchor. "Sie wollen unbedingt in den Hauptchor aufgenommen werden", sagt Andolfi. Vielleicht auch deshalb traut sich der siebenjährige Max zum Schluss der Stunde, noch ein Solo zu singen: "Mist (psst, psst), so ein Mist (psst, psst), dass der Wurm aus dem Loch gekrabbelt ist!"

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort