Hüte aus Tausendundeiner Nacht

Trier · Drumwickeln, feststecken, ausprobieren, scheitern, wiederversuchen. Die Trierer Musicaldarstellerin, Choreographin und Designerin Yvonne Braschke hatte genau sieben Tage Zeit für ihre jüngste große Aufgabe: das Designen und Nähen der Hüte für das Musical "Der Medicus".

Trier. Yvonne Braschke schaltet das Licht in ihrem Esszimmer ein. Drei bloße Glühbirnen beleuchten einen weißen, ovalen Tisch, das verbogene Rad eines ausrangierten Fahrrads bildet die Lampenfassung. An der fliederfarbenen Wand hängt ein Regal aus Flohmarktholz, befestigt mit alten Gürteln. Darauf eine Postkarte mit der Aufschrift "When too perfect, lieber Gott böse". Daneben ein liebevoll gepflegter Schaukelstuhl.
Learning by doing


Die 35-Jährige mit dem wasserstoffblonden, langrasierten Irokesenschnitt setzt sich an den Tisch, zieht die Beine in der selbst genähten Haremshose an den Körper. Der Stoff mit Szenen aus einem Tim- und Struppi-Comic war mal ein altes Bettlaken, das sie auf dem Flohmarkt gesehen hat. Sie wusste direkt, da wird mal eine Hose draus.
In ihrem Nähzimmer stapeln sich in vielen kleinen Schubfächern und Ecken fein säuberlich alte Jeanshosen, ungeliebte Gürtel, durchgelegene Bettlaken. Freunde bringen immer mal wieder was vorbei, weil sie wissen, die Yvonne, die macht da bestimmt noch was draus. Und die Musicaldarstellerin ist die Letzte die Nein zu einem Angebot sagt.
Learning by doing könnte ihr Motto sein. So kam sie auch ans Nähen: In einem zehnstündigen Kurs in Hamburg, wo sie für ein Musical gearbeitet hat, wollte sie das Nähen von der Pike auf lernen. Ziel des Kurses war es am Ende ein Kleidungsstück genäht zu haben. Sie brachte zu jeder Stunde ein Stück mit. Mit ihrem eigenen Label "Knup" entwirft sie neue Sachen aus ausrangierten Teilen. "Upcycling" nennt sich das, nicht bloßes Wiederverwerten, sondern Besserverwerten.
Bei ihrem letzten Projekt, das ihr zugetragen wurde, durfte sie nicht wiederverwerten. Eine befreundete Designerin und Kostümbildnerin fragte sie spontan, ob sie sich zutrauen würde, die Hüte für das Musical "Der Medicus", das auf dem Weltbestseller von Noah Gordon beruht, zu designen. Die Antwort: "Ja, klar."
Danach hatte sie insgesamt eine Woche Zeit, um die arabischen Kopfbedeckungen für das gesamte Ensemble zu schneidern. Zuerst probierte sie die Turbane am eigenen Kopf aus, designte die Käppchen in verschiedenen Farben, mit Schleier und ohne, und die Hüte für ein getanztes Schachspiel.
Ausprobieren und scheitern

 Ein von Yvonne Braschke designter Turban für das Musical „Der Medicus“. Foto: Yvonne Braschke

Ein von Yvonne Braschke designter Turban für das Musical „Der Medicus“. Foto: Yvonne Braschke

Foto: (g_kultur


Dann versuchte sie sich an den völlig unbekannten Schnittmustern für einen Hut. Es folgte viel Ausprobieren, bis alles so weit saß. Danach mussten auftrittsfeste Varianten erstellt werden, Turbane, die nicht bei jeder Drehung zerfallen. Es folgten Kostümproben, Presseproben und Korrekturen, wenn etwas negativ aufgefallen ist. Am Ende ihrer Zeit in Fulda musste sie noch einiges vorbereiten: Stoffe zuschneiden und an die Kostümbildnerinnen vor Ort geben, damit die weiterarbeiten konnten. Das Ergebnis ihrer Arbeit sah sie erst bei der Premiere am 17. Juni.
Eine Woche voller Ausprobieren und Scheitern, aber auch voller kleiner und großer Erfolge. Heute würde sie etwas anders machen: Sie würde sich nicht mehr so mit Details aufhalten. Bei einer Musicalproduktion laufe alles gegen die Zeit, die Premiere rücke unaufhaltsam näher, da komme es auf jeden Tag an. Ein solches Angebot würde sie aber wieder annehmen, gerne auch wieder ganz spontan.

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