"Ich mache nur, was mir Spaß macht"

TRIER. Am Freitag gehen die Antikenfestspiele 2004 in die zweite Runde. Nach der sperrigen "Antigonae" steht mit Offenbachs turbulenter Operette "Die schöne Helena" Spaß pur auf dem Programm. Und dabei hilft ein ganz besonderer Spaßvogel mit Trierer Herkunft: Guildo Horn.

Was für ein Prachtbild von griechischem König, das da über die Proben-Bühne des Theaters schlurft: hängende Schultern, spärliche Haarpracht, seniler Gang, schüttere Stimme. Kein Wunder, dass die schöne Helena danach trachtet, diesen ihren Gatten Menelaus mit dem hübschen Paris zu hintergehen. So ganz braucht Guildo Horn an diesem Montagmorgen die Tatterigkeit des Menelaus nicht zu spielen. Am Vorabend hat er auf dem Altstadtfest gesungen, die Nachfeier ging bis fünf Uhr in der Frühe. Die XXL-Sprudelflasche steht in greifbarer Nähe, und trotzdem wirkt Guildo, das Bühnentier, lebendiger als mancher der ausgeruhten Chorsänger, die sich inszenierungs-gemäß auf Liegestühle fläzen."Wer trinkt, kann auch singen"

Der junge Dirigent Fabian Dobler, der den Eindruck macht, als wisse er, was er will, lässt den Sänger sein Couplet wiederholen. "Der denkt sich: Wer trinkt, kann auch singen", lästert Guildo selbstironisch, die Kollegen quittieren es mit Amüsement. Drei Stunden später sitzt der Künstler auf dem Domfreihof. Erst Cappucino, dann Nordbad, so lautet das Hausmittel gegen Kater, wenn Guildo Horn mal wieder in Trier weilt. Oder Horst Köhler? Der markante Haarschopf ist unter einer Kappe verborgen, die Sonnenbrille sichert ein kleines Stück Anonymität - selbst bei einem, dessen einprägsame Physiognomie sonst keine Chance bietet, unerkannt einen Kaffee zu trinken. Sechs Jahre ist es her, dass ihn der Grand-Prix über Nacht machtvoll in die Schlagzeilen katapultierte. Inzwischen, so bekennt er, wäre es ihm "manchmal lieber, man könnte zwischen der Privatperson und dem Künstler stärker trennen". Was nicht heißt, dass ihm die Rolle nicht mehr gefällt. "Guildo Horn ist eine Sache, die mich weiterhin sehr interessiert", sagt er, und es klingt überzeugend. Er braucht die Auftritte, den Kontakt mit dem Publikum. Am Freitag spielte er in Kiel, am Samstag in Köln, am Sonntag in Trier, lauter "freie Konzerte" bei großen Festen. Die sind besonders spannend, "denn da sind immer wieder jede Menge Leute, die uns noch nie gesehen haben". Und ein Publikum zu erobern, das hat ihn schon gereizt, als er auf der Uni Trier schräge Auftritte als Roy-Black-Reinkarnation zelebrierte. Das Theater ist als neue Passion hinzugekommen. Mehr durch Zufall, "weil mich halt jemand gefragt hat". Kein gezielter Image-Wandel? "Ach Quatsch", sagt er, "das wäre mir viel zu anstrengend". Statt darüber nachzugrübeln, wie er nach außen wirkt, "mache ich einfach nur, was mir Spaß macht". Und das ist zurzeit der Menelaus bei den Antikenfestspielen. Im Herbst folgt zum ersten Mal der Sprung an ein großes Theater: Die Aalto-Oper in Essen hat ihn für "My fair lady" verpflichtet. Keine Hauptrolle, aber dennoch ist ihm der Stolz anzumerken. Dass sich in Trier vor drei Jahren wegen seiner Verpflichtung für "Orpheus in der Unterwelt" eine Debatte um die "Seriosität" der Festspiele entspann, hat er nicht vergessen. Wer damals Zweifel an seinem darstellerischen Talent äußerte, hatte wahrscheinlich nie eine seiner Bühnenshows gesehen. Um so begeisterter reagierte das Publikum auf die gelungene Interpretation. "Ein bisschen mehr Ruhe" wäre das, was er sich am meisten wünscht. Mehr Zeit, die er auf seinem Bauernhof in einer 150-Seelen-Gemeinde im Bergischen Land ("Da bin ich für die Leute nur der Horst") verbringen könnte. Oder mit Söhnchen Leonid, der bei der Mutter in München lebt. Aber zu viel Muße wäre andererseits wohl auch nicht das Wahre, sinniert er. Eigentlich "könnte es gar nicht besser sein als es ist." Termine: 3., 4., 9. und 10. Juli, jeweils 21 Uhr, Kaiserthermen, Karten: 0651/718-1818.

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