"Ich weiß nicht, was nächstes Jahr ist" So präsent wie lange nicht

Wenn die Antikenfestspiele heute mit "Antigone" zu Ende gehen, werden sie mit rund 11 500 Besuchern deutlich zugelegt und das zweitbeste Ergebnis in der zehnjährigen Festival-Geschichte eingefahren haben. Über die Saison 2009 herrscht aber Rätselraten. Mit den Antikenfestspielen schließt auch die Theater-Saison 2007/08. Die offizielle Bilanz samt Besucherzahlen wird traditionell erst im Herbst vorgelegt. Aber künstlerisch lässt sich schon jetzt ein klares Fazit ziehen: Es war die stärkste Spielzeit in der Ära Weber.

Trier. Trotz aller Wetter-Unwägbarkeiten fällt die Bilanz von Festspiel-Chef Gerhard Weber positiv aus. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Organisatoren das "Schlechtwetter-Management" inklusive Umzug in die Arena sehr gut im Griff hatten. Rechtzeitige Entscheidungen und Informationen vermieden Ärger, und die drei "Ausweich-Nabuccos" bekamen von den Zuschauern durchweg gute Noten. Dennoch weiß Weber, "dass die Leute natürlich wegen des Open-Air-Erlebnisses kommen". Deshalb denkt er über eine Verlegung in den August nach, will aber in diesem Jahr "erst Mal eine Strichliste machen, wie es da mit den Regentagen aussieht".Doch den Intendanten plagen weit größere Probleme. Während andere Festivals längst ihre Karten für 2009 verkaufen und das Programm für 2010 bekanntgeben, kann Gerhard Weber "schlicht nicht sagen, was nächstes Jahr ist". Nach wie vor schwelt der Konflikt um den Spielort (der TV berichtete). Für das von der Stadt favorisierte Amphitheater wartet man nach Anwohner-Beschwerden auf ein Lärmgutachten, bei der vom Land ins Gespräch gebrachten Palaestra an den Kaiserthermen ist man über den Status einer abstrakten Idee noch nicht hinweggekommen. Jetzt sind erst einmal alle Entscheidungsträger in Ferien, und die Zeit verrinnt. "Es drängt", sagt der Intendant, denn so lange er nicht weiß, wo er spielt, kann er auch die Stücke nicht festlegen. Das bedeutet: Keine Werbung, kein Vorverkauf, keine Künstler-Verpflichtungen. Ein Teufelskreis, gerade vor dem Hintergrund, dass Trier dringend überregionale Werbung braucht, wenn die Festspiele nicht zu einem Lokal-Ereignis absteigen wollen. Positive Ansatzpunkte wären durchaus vorhanden: Chef-Organisator Bert Wiegandt berichtet von gestiegener Nachfrage aus Frankreich und dem Kölner Raum. Er führt es auf die Anziehungskraft der Ausstattung mit den "Trash People" zurück. Was Gerhard Weber will, daraus macht er keinen Hehl: Er würde gerne "Nabucco" im Amphitheater wieder aufnehmen und mit einer multimedialen Tanztheater-Produktion über den Römer "Spartacus" kombinieren. Aber bis auf weiteres sind ihm die Hände gebunden. Meinung Viel fehlt nicht mehr am Ruin Manchmal ist es schwer, nicht zynisch zu werden. Da berappeln sich die Antikenfestspiele einigermaßen, beginnen wieder, Zuschauer zu ziehen, finden neue - wenn auch längst nicht ausreichende - künstlerische Perspektiven, und dann drohen sie an Kompetenzwirrwar kaputt zu gehen. Es kann doch nicht sein, dass die Stadt mehr als ein Jahr braucht, um festzustellen, ob es eine Rechtsgrundlage für das Amphitheater gibt. Es muss doch wenigstens Übergangs-Lösungen geben, die ein Minimum an Planungs-Sicherheit liefern. Es kann auch nicht sein, dass sich die Stadtverwaltung und das Land so lange die Bälle hin- und herschieben, bis das Festival endgültig ruiniert ist - viel fehlt nicht mehr. Es ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss, wenn der Intendant mit der Wiederaufnahme einer abgespielten Oper in die nächste Saison gehen will. Die Frage ist nur, ob ihm für eine Neuproduktion überhaupt die Zeit bleibt. "Richtig oder gar nicht", hat OB Jensen in Sachen Festspiele gesagt. Es läuft immer mehr auf die zweite Alternative hinaus. d.lintz@volksfreund.de

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