Illusionen statt Visionen

TRIER. Achterbahnfahrt beim Theater Trier: Erst ein durchwachsener Saisonstart im Haus, dann eine Riesen-Stück-Nachfrage bei den Schulen, nun die vorläufige Absage einiger ambitionierter Vorhaben. Es geht heftig auf und ab in der Trierer Kultur-Institution Nummer Eins.

Als im März letzten Jahres der Spielplan für die Saison 2006/2007 vorgestellt wurde, galt das große "zeitgenössische Theaterfestival" im Februar 2007 als Herzstück des Programms. Mit seinem Titel "Theater-Visionen" lieferte es sogar das Motto für die gesamte Theater-Spielzeit. Ein Schauspielmarathon mit jungen Gastautoren, ein mit Trierer Schülern erarbeitetes Jugendstück, ein Austausch mit dem berühmten Berliner "Stückemarkt": Drei Tage lang sollte sich Trier in ein Mekka des zeitgenössischen Theaters verwandeln, in bislang einmaliger Kooperation mit Uni und FH.Mainz zeigt dem Theater die kalte Schulter

Doch die Vision entpuppt sich nun als Illusion. Erst verschoben, dann abgesagt: Das Festival ist für diese Spielzeit gestorben. Nach einem Jahr intensiver Vorbereitung. Frust bei den Kooperationspartnern: "Wider Erwarten ist die Verfügbarkeit der vom Ministerium in Aussicht gestellten Fördermittel bis heute nicht gesichert", heißt es in einer Erklärung. Dabei habe Mainz laut Intendant Gerhard Weber die Vorlaufkosten "problemlos" finanziert, zum Beispiel die Einstellung eines "erfahrenen Festival-Leiters". Auf das Prinzip Hoffnung gründete man daraufhin offenbar die große Ankündigung. Nun will man im kommenden Jahr einen neuen Anlauf versuchen. Nicht der einzige geplatzte Trierer Theater-Traum. Aus der für die Antikenfestspiele 2007 erstmals geplanten Tribüne auf den Rängen wird wohl auch nichts. Vor allem Bühnenbildner Valentiny und Regisseur Schildknecht hatten sich dafür eingesetzt, das Publikum wie zur Römerzeit im weiten Rund zu platzieren und den Innenraum als Spielfläche zu nutzen - trotz rund 50 000 Euro Zusatzkosten. Anfang November hatte Intendant Weber in der Hoffnung auf Gelder vom Land und privaten Sponsoren grünes Licht für die Planung gegeben. Bis über die Weihnachtsfeiertage hinaus verkaufte man via Internet schon fleißig Karten für die Plätze auf der neuen Tribüne - bis das vorläufige Aus kam. "Leider hat sich die in Aussicht gestellte Subvention durch Drittmittel noch nicht bestätigt", sagt Verwaltungsdirektor Werner Reichert, der - anders als der Intendant - ohnehin Skepsis bekundet, "ob man das Geld statt in Tribünenmiete nicht eher in die künstlerische Qualität stecken sollte". Andere Veranstalter wie die Moselfestwochen verkaufen für eigene Produktionen im Amphitheater dagegen wacker weiterhin Plätze auf der neuen Tribüne. "Uns hat niemand was gesagt", so der entgeisterte Kommentar von Festwochen-Chef Hermann Lewen auf TV-Anfrage. Sogar Bühnenbildner Valentiny hofft, wie er am Sonntag bei einem Theatercafé bekundete, nach wie vor, "dass wir uns diese Chance für die Festspiele nicht entgehen lassen". Vielleicht weiß er noch nicht, dass im Internet gerade die verkauften Plätze auf die alte, im Innenraum platzierte Tribüne umgebucht worden sind. Als ob die Finanz-Probleme nicht genug wären, verdüstert auch noch Ärger um Personalfragen die Atmosphäre im Theater. Der Intendant hatte im Oktober öffentlich verkündet, man werde sich von den Sängern Gor Arsenian, Juri Zinovenko und Andreas Scheel nach Ende der Spielzeit 2006/2007 trennen. Mit Scheel hat man sich inzwischen geeinigt, Arsenian und Zinovenko klagen dagegen vor dem Bühnenschiedsgericht. Sie sind der Meinung, die vorgeschriebene Ankündigung der Nicht-Verlängerung ihres Vertrages sei nicht fristgemäß erfolgt. Verwaltungschef Reichert sieht das anders. Und er weist darauf hin, dass der Deutsche Bühnenverein dem Trierer Theater Rechtsschutz gewährt hat, mithin dessen Rechtsauffassung teilt. Dennoch könnte sich ein Rechtsstreit über mehrere Instanzen abzeichnen, und damit eine langfristige, für das Klima im Haus alles andere als zuträgliche Hängepartie - schon die zweite neben der Personalie des Generalmusikdirektors. Und noch etwas sorgt für Aufregung im Haus am Augustinerhof: Trotz radikalen Sparkurses in allen Bereichen leistet sich das Theater zum Saisonstart 2007 eine Wagner-"Walküre". Weil das hauseigene Ensemble kaum über passende Stimmen verfügt, muss fast die komplette Produktion mit Gästen betritten werden, und auch das Orchester braucht reichlich Aushilfen. Aber da scheint es mit den Subventionen besser zu klappen: Dank Wagner-Verband, Sponsoren und einem (erwarteten) Extra-Zuschuss des Landes sei das "herausragende Opernprojekt" finanziert. Die Zusatzkosten, versichert der Verwaltungsdirektor, gingen "jedenfalls nicht zu Lasten anderer Produktionen des Theaters".

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