Im Garten der neuen Klänge

LUXEMBURG. (mö) Noch bis Sonntag findet in der Philharmonie Luxemburg ein Festival der modernen "Musique spectrale" statt. Die Eröffnung entführte rund 600 Besucher in neue, spannende Klang-Welten.

Nein - keine akustische Wellness-Kur. Kein Baden in angenehmen Klängen. Dafür eine reizvolle Entdeckungsreise in den Garten neuer Klänge. Die "Musique spectrale", die von Gérard Grisey, Tristan Murail, Michael Levinas und Hugues Dufourt entwickelt wurde, distanziert sich vom Primat der Tonsatz-Dimensionen Melodie, Rhythmus und Harmonik und stellt den Klang mit seinen unterschiedlichen Farben ins Zentrum. So wie sich weißes Licht in die Spektralfarben auflösen lässt, zerlegen sie Klänge in ihre Spektren, bauen aus Einzeltönen neue Klänge, entwickeln daraus große Formen von erstaunlicher Vielfalt. Griseys "akustische Räume" entwickeln sich kontinuierlich - ein durchgehender Prozess von den einstimmigen Akkordbrechungen der Solobratsche (Danielle Hennicot mit dem Luxemburger Ensemble "United Instruments of Lucilin) bis hin zum monumentalen, aber stets differenzierten Klang des SWR-Sinfonieorchesters unter Fabrice Bollons präzisem Dirigat. Die "Partiels" (Teiltöne), die im Mittelpunkt des Zyklus stehen, vermitteln am deutlichsten Technik und Ästhetik Griseys. Mit dem traditionellen Instrumentarium baut er Klangspektren nach, zum Beispiel die Farbe eines tiefen Posaunentons, und leitet daraus neue Strukturen ab - eine neue Harmonik vor allem, die die tonalen Anklänge, das "Gespenst der Tonalität", nicht scheut und doch offensichtlich nicht tonal ist. Alle Monotonie bleibt aus. Fast zwei Stunden lang wird der Besucher Zeuge eines sicherlich nicht bequemen, aber ungemein vielfältigen Entwicklungsprozesses reicher, oft üppiger Klänge. Etliche Partien orientieren sich am Ein- und Ausatmen und signalisieren: "Musique spectrale" besteht nicht aus toten, physikalischen Konstrukten, sondern aus natürlichen, organischen Zusammenhängen. Nicht zuletzt das macht sie so reich. Noch bis Sonntag haben Entdeckerfreudige Gelegenheit, die "Musique spectrale" kennenzulernen. Zu den Höhepunkten dürften die Klaviernacht am Samstag ab 18 Uhr und die Abschlussveranstaltung am Sonntag ab 11.30 Uhr gehören.

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