Im Karussell der komischen Zufälle

WITTLICH. Lachen ist manchmal Ansichtssache. Fest steht: Das Millowitsch-Theater lieferte in "Saionara Tante Klara" solide Unterhaltung.

Das Unterhaltungstheater lebt von den Sitten einer untergegangen Bürgergesellschaft. Während heute die Manager übernommener Unternehmen satte Honorare einstreichen, muss der Brauereibesitzer Weisdorff (Peter Millowitsch) auf der Bühne persönlich die Gläubiger abwimmeln, und die Tante von der Bank (Christa Rockstroh) noch dazu. Statt zum Sozialamt zu eilen, verkleidet er sich als Hausmeister und entschuldigt den abwesenden Chef. Auch der Gläubiger treibt sein Geld auf zivilisierte Weise ein; er bleibt nämlich einfach an Ort und Stelle. Das ist der Stoff, aus dem die Nostalgien sind. Barbara Schöller und Peter Millowitsch haben in ihr Stück "Saionara Tante Klara" auch ein Stück Erinnerung an ältere Geschäftspraktiken hineingeschrieben. Es spielt in der Gesellschaft von gestern. Richtig nette Menschen mit ebensolchen Umgangsformen bevölkern die Tourneebühne im Wittlicher Atrium. Situationskomik ist Trumpf, und wie in der klassischen Operette stolpert die Handlung von einer Unwahrscheinlichkeit zur nächsten. Lustig ist die Sache allerdings nur in Maßen. Die Situationskomik wird tot geritten. Jeder kennt jeden, aber doch nichtso ganz. Der Puff mutiert zum Luxusrestaurant und der Fabrikbesitzer zur japanischen Grande Dame. Ein Gläubiger (Claus Janzen) läuft ziellos im Einheitsbühnenbild herum, und eine Dame (Sabine Kühne) wagt erotische Annäherungen an die Frau des Hauses (Jutta Großkinsky). Bis die Bankerin ihrerseits Interesse anmeldet - Bisexualität ist eins der wenigen modernen Themen im Stück. Ein alter Freund schließlich (Dimitri Alexandrov) leistet dem Hausherrn mit allerlei Unsinn Hilfestellung im Abwehrkampf gegen Gläubiger und Bank. So dreht sich das Karussell der Zufälle immer schneller, die Handlungsstränge verwischen und die Akteure hangeln sich mühsam von Pointe zu Pointe. Erst als herauskommt, dass Weißdorff aus rein geschäftlichen Gründen seine Frau für tot erklärt hat und die quietschlebendig und zornbebend neben ihm sitzt, ändern sich die Dinge. Am Schluss lösen sich natürlich alle Verwirrungen. Dass das traditionsreiche Kölner Millowitsch-Theater zu dramatischen Höhenflügen ansetzen würde, hatte sicherlich niemand erwartet. Aber die Produktion kommt ohne Klamauk aus. Die Schauspieler liefern ihre Rollen solide und sprachdeutlich ab. Auch Claus Janzens Regie erlaubt sich keinerlei Mätzchen und verzichtet auf Griffe unter die Gürtellinie. Das ist in Zeiten grassierender Ekel-Unterhaltung schon bemerkenswert. So bekam das lachwillige Publikum, was es wollte: einen netten, ordentlichen Theaterabend.

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