Im Schaumbad der Gefühle

Sie badeten in den Klangwonnen von Rachmaninows "Zweiter", das Orchestre Philharmonique und Dirigent Vassili Sinaisky. Das Brahms-Violinkonzert in Luxemburg blieb dabei auf der Strecke - trotz Star-Geiger Vadim Repin.

Luxemburg. (mö) Sie muss einen Hintersinn haben, diese Programmplanung. Zum zweiten Mal kombinierte das Orchestre Philharmonique du Luxembourg in einem Sinfoniekonzert ein Werk aus dem deutschen Kernrepertoire mit einer Komposition, auf die kulturbewusste Traditionalisten in Deutschland herabsehen, die aber in der Welt einige Prominenz genießt.

Diesmal waren es das subtil-spröde Brahms-Violinkonzert und Rachmaninows üppige Sinfonie Nr. 2. Die Kombination hat allerdings einen Nachteil. Sie braucht Interpreten, die sich auf beides verstehen: deutsche Strenge und russische Üppigkeit. Daran haperte es beim Konzert in der Luxemburger Philharmonie.

Gleich der allzu schwerfällige Einstieg und das zugleich massive und diffuse erste Tutti bei Brahms nährten Zweifel am künstlerischen Gelingen.

Im pauschalen Pathos der Interpretation ging dann tatsächlich unter, was den Rang dieses Konzerts ausmacht: die Spannung zwischen Idylle und Dramatik, zwischen Strenge und Ausdruck. Vassili Sinaisky degradiert Brahms zu einer akademischen Tschaikowsky-Variante.

Solist Vadim Repin ist als Geiger zweifellos über alle Einwände erhaben. Bei ihm bleibt der Ton auch dann fest und rund, wo er bei anderen angestrengt und spröde wird. Und die fast volkstümlich gelassene Art, mit der er den Mittelsatz angeht - schattierungsreich, aber ohne alle Virtuosen-Attitüden, Schärfen, Forcierungen, ohne ausuferndes Vibrato, das ist reichster, subtilster Brahms.

Aber auch Repin konnte die Schieflage bei Orchester und Dirigent nicht korrigieren, und am Ende stand eine künstlerische Schwarzweiß-Kopie - geigerisch glänzend, ausdrucksbewusst und trotzdem musikalische eindimensional.

Nach der Pflicht kam die Kür mit Rachmaninows "Zweiter". Orchester und Dirigent malten mit breitem Pinsel, vertieften sich lustvoll in die schönen Stellen und aalten sich im Schaumbad der Gefühle, das der Komponist aufbaut. Ausdruck, Form-Proportionen, Dynamik, Klangwirkungen - alles perfekt. Emotion freilich stand vor Präzision.

So musiziert, gleicht die Sinfonie einem alkoholreichen Port. Der gefällt vielen, aber nicht allen. Mancher dürfte einen leichten Moselwein vorziehen.

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