Im Tanzschritt zum Walkürenritt

Wagners 17-stündiges Opern-Epos "Der Ring des Nibelungen", komprimiert auf 120 Minuten, und dann nicht gesungen, sondern getanzt: Das Projekt, mit dem das Theater Trier am Samstag die Spielzeit eröffnet, klingt ziemlich verrückt.

 Hannah Ma (Brünnhilde) und David Scherzer tanzen während der Probe. Foto: Theater Trier

Hannah Ma (Brünnhilde) und David Scherzer tanzen während der Probe. Foto: Theater Trier

Trier. Lautstark dringt aus dem großen Saal des Theaters der "Walkürenritt". Birgit Scherzer zuckt beim Gespräch im Foyer leicht zusammen angesichts der wogenden Klang-Kaskaden. Seit Wochen tost ihr der "Ring" um die Ohren - ganz schön hart für jemanden, der nach eigenem Bekunden "nie eine Affinität zu Wagner hatte". Dass die Star-Choreografin irgendwann zu Wotans Gesängen ein Tanztheater gestalten würde, hätte sie sich "nicht träumen lassen". Aber als das entsprechende Angebot aus Trier kam, "da konnte ich einfach nicht nein sagen".Das größte und meist-diskutierte Werk der Musiktheatergeschichte mit den Mitteln des Tanzes anzugehen, ist ebenso reizvoll wie risikoreich. Die überregionale Fachpresse, die sich sonst selten nach Trier bemüht, hat bereits Interesse angemeldet. Drahtseilakte entfalten stets eine gewisse Anziehungskraft.Dass eine pure tänzerische Nacherzählung von Wagners Drama mit seinen tausend Verästelungen kein gangbarer Weg sein würde, war Scherzer und ihrem Dramaturgen Peter Larsen von vornherein klar. So kam man auf die Idee, den Blickwinkel umzudrehen. Die Geschichte wird aus der Sicht von Brünnhilde erzählt, der Walküre, die ihrem Göttervater Wotan die Gefolgschaft verweigert und deshalb auf einen von Flammen umsäumten Felsen verbannt wird. Mit dieser Verbannung beginnt denn auch Scherzers Stück, das zunächst in träumerischen Rückblicken wichtige Momente der "Ring"-Handlung erzählt. Wer die Opern-Tetralogie kennt, wird problemlos verstehen, worum es geht - Nicht-Wagnerianern empfiehlt sich ein vorsorglicher Blick ins Programmheft. Aber man müsse kein Experte sein, um sich zurechtzufinden, verspricht Birgit Scherzer: "Wir wollen ganz alltägliche Assoziationen wecken". Immerhin gehe es auch um einen "klassischen Vater-Tochter-Konflikt, wie er sich in jeder Familie abspielen kann".Das härteste Stück Arbeit war die Zusammenstellung der Musik. Wagner ist nicht Verdi, der Ring besteht nicht aus Arien, Duetten, Zwischenspielen und Ballettmusiken, sondern aus der berühmten "unendlichen Melodie". Aber Tanz-Szenen pflegen schon aus physischen Gründen einen Anfang und nach absehbarer Zeit auch ein Ende zu haben. Es musste also aus einem 1000-minütigen Mammut-Werk ein Konzentrat ausgewählt, getaktet und zusammengeschnippelt werden, das jetzt als musikalischer Tanz-Teppich fungiert.Da war es ein Glücksfall, dass Musikdramaturg Larsen ("Lassen Sie mir fünf Sekunden und ich sage Ihnen die Fundstelle") den Ring kennt wie seine Westentasche. Trotzdem habe ihm die Auswahl "wochenlange Kopfschmerzen" bereitet. Die Musik musste zur "szenischen Logik" passen, gleichzeitig sollten aber "die Hits dabei sein", wie Larsen ehrlich einräumt. Schließlich muss man einerseits die eingefleischten Wagnerianer bedienen, andererseits aber die Hemmschwelle für weniger Eingeweihte niedrig halten. Keine leichte Aufgabe, auch für das Ensemble. Die Mitglieder der jungen Trierer Truppe "hören das teilweise alles ganz anders als ich", erzählt Birgit Scherzer. Auf Wagners schwere, pathosgeladene Musik zu tanzen, erscheint einem Außenstehenden ohnehin fast unmöglich. Aber Bewegungen zu finden, die Wagners Musik umsetzen, habe ihr "null Probleme" bereitet, lautet Scherzers überraschende Erkenntnis. Ab Samstag kann sich das Trierer Publikum ein Bild machen, ob der Choreografin ein ähnlich großer Wurf gelungen ist wie bei ihrem gefeierten Mozart-Requiem vor drei Jahren. "Alles weiß ich: alles - Ringmotive". Premiere am 22. September, weitere Vorstellungen: 28. September, 20., 23. und 27. Oktober. Karten: 0651/7181818.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort