Im Zeichen des Chamäleons

LUXEMBURG. 72 Sinfoniekonzerte und zwei Opernproduktionen: Das Orchestre Philharmonique du Luxembourg geizt 2004/2005 nicht mit Auftritten. Auch Konzerte in Trier hat man noch nicht abgeschrieben. Trotzdem wird in Luxemburg auch Kritik an der Programmplanung laut.

Auf der Titelseite des neuen Programmhefts prangt ein Chamäleon. Das anpassungsfähige Reptil steht symbolisch für eine "farbenprächtige Saison" 2004/2005. Benedikt Fohr, Direktor des Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL), verspricht sogar ein "andauerndes Festival" und eine "passionierte Mischung aus Empfehlungen und Entdeckungen". Allerdings hat die zoologische Symbolik auch eine Schattenseite. Die Vielfalt kann aufs bunte Einerlei hinauslaufen. Davon ist das OPL noch ein Stück entfernt. Zunächst einmal beeindruckt die schiere Menge der Konzerte. Vom 16. September 2004 bis zum 15. Juli 2005 stellt sich das OPL im Großherzogtum 48 mal aufs Podium, und das nicht nur in Luxemburg-Stadt. Wobei die Mitwirkung bei den Festspielen in Echternach und Wiltz schon eine lange Tradition hat. Hinzu kommen 24 Veranstaltungen im Ausland. Kein Wunder, dass aus dieser Konzertfülle ein reichhaltiges Programm folgt. Eher erstaunt schon die Vorsicht der Planer. Man beschränkt sich weitgehend auf Romantik und Impressionismus mit gelegentlichen Ausflügen in die Moderne. Mit dem Engländer Bright Sheng und Wolfgang Rihm sind zwei bedeutende Zeitgenossen präsent, und für Klaus Huber veranstaltet das Orchester zum 80. Geburtstag eigens zwei Konzerte. Gerade ist dazu eine CD erschienen. Erstaunlich gering ist der Anteil der Wiener Klassik, Vorklassik fehlt fast vollständig; beides dürfte Domäne der "Solistes Européens" bleiben. Ganz sacht zeichnet sich ein französischer Schwerpunkt ab: César Franck und Ravel (13. November), Pierre-Octave Ferroud, Berlioz, Ravel und Debussy (25./27. November), Dukas, Messiaen und Florent Schmitt als Repräsentanten des frühen 20. Jahrhunderts.Neue Ära für das Musikleben in der Region

Ein Höhepunkt wird fraglos die Aufführung von Bruckners Achter unter Jukka-Pekka Saraste werden (7. Januar). Und die Eröffnung der neuen Philharmonie am 26. Juni 2005 dürfte im Musikleben der Großregion eine neue Ära einläuten. Wie verlautete, ging dazu ein Auftrag an Krzystztof Penderecki. Auch ihre Trier-Präsenz haben die Luxemburger noch nicht abgeschrieben. Laut Benedikt Fohr warte man auf den neuen Intendanten Gerhard Weber. Unter den Solisten versprechen Barbara Bonney, Angelika Kirchschläger und Julian Rachlin besonderen Konzertgenuss. Außer Chef Bramwell Tovey und dem ersten Gastdirigenten Emmanuel Krivine stehen Claus-Peter Flor, Arturo Tamayo, Vladimir Spivakov und Marc Soustrout am Pult. Schließlich wird das OPL auch bei zwei Opernproduktionen im Theater Luxemburg mitwirken: Puccinis "Bohème" und "Die Liebe zu den drei Orangen" von Prokofjew. Theaterchef Frank Feitler kündigte bei dieser Gelegenheit für die kommende Spielzeit Mozarts "Entführung", Purcells "Dido und Aeneas", eine szenische Fassung von Mahlers "Lied von der Erde" und Udo Zimmermanns "Weiße Rose" an. Ausführlich wird der Theaterspielplan Ende Juni vorgestellt.Heimische Komponisten fühlen sich vernachlässigt

Ein kulturelles Angebot dieses Umfangs ist fraglos beeindruckend. Trotzdem bleibt im Großherzogtum die einhellige Zustimmung aus. Die Komponisten des Großherzogtums fühlen sich vernachlässigt. Marcel Wengler, Präsident der Luxemburgischen Gesellschaft für neue Musik (LGNM), vermisst vor allem die gezielte Förderung der heimischen Musiker und greift dabei auch zu drastischen Formulierungen: "Luxemburg hat es fertig gebracht, sich selber zu verkaufen." Tatsächlich ist die Präsenz luxemburgischer Komponisten im Programm gering. Alex Müllenbach erscheint mit seinem Stück "Umbrae pour Orchestre" (17./18. März) und Georges Lentz (7. Juli) mit einem Konzert für die Bratschistin Tabea Zimmermann. Das ist allerdings ein Auftragswerk der Echternacher Festspiele. Ganz zu schweigen von Werkstattkonzerten oder experimenteller Kammermusik. Das könnte sich nach Eröffnung der neuen Philharmonie allerdings ändern. Weitere Informationen im Internet unter www.opl.lu; Reservierungen: 00352/470895-1 oder ticketlu@pt.luno/joa

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