In Farbe gefasste Symphonie des Lebens

Trier · Sie war eine außergewöhnliche Frau und eine ausdrucksstarke, von der Farbe faszinierte Malerin. In einer sehenswerten Retrospektive erinnert das Museum am Dom an Antonia Berning. Bis zu ihrem Tod 2009 lebte die Kaiser-Lothar-Preisträgerin in Weißenseifen.

 Späte Werke der Eifeler Malerin Antonia Berning (kleines Bild) sind im Trierer Museum am Dom zu sehen. TV-Fotos (2): Eva-Maria Reuther/Archiv

Späte Werke der Eifeler Malerin Antonia Berning (kleines Bild) sind im Trierer Museum am Dom zu sehen. TV-Fotos (2): Eva-Maria Reuther/Archiv

Foto: (g_kultur

Trier. Die Geschichte hat sie oft und gern erzählt. Über viele Jahre hatte Antonia Berning sich regelrecht an der Ölfarbe abgearbeitet. Bis sie eines Tages bei einer Reise an den französischen Atlantik am Meer stand, vor ihr das Wasser, über ihr der azurblaue Himmel. Augenblicklich war ihr klar: So wie diese blaue Luft dort oben sollte ihre Farbe schimmern und schweben.
Die schwere Ölfarbe hatte sich erledigt. Aquarell- und Gouache-Farben waren nun angesagt. Die junge Malerin hatte gleichsam die Leichtigkeit des Seins entdeckt. Leicht hat sich Berning ihren Umgang mit der Farbe dennoch nie gemacht. Oft genug hat sie mit der Materie geradezu leidenschaftlich gekämpft. "Ich lebe in der Farbe", das war für sie gleichermaßen Programm wie Existenzbedingung.
Wer sich dieser Tage im Museum am Dom die Gemälde dieser mit bewundernswerter Energie ausgestatteten Frau anschaut, der findet sich mitten im Leben der bis zu ihrem Tod 2009 in Weißenseifen beheimateten Künstlerin. Alle gezeigten Gemälde sind in der Zeit seit den 90er Jahren entstanden.
In der Farbe leben, das bedeutete für Berning, Bildideen in Kompositionen umzusetzen, die Möglichkeiten der Farbe auszuloten, über Farbe, Form und Geste Bildräume zu gestalten. Dabei sind farbmächtige, ausdrucksstarke Bildschöpfungen entstanden. Aber nicht nur das: Es sind Bilder der Innenschau. In Farbe gefasste Kammerspiele, in denen die Künstlerin sich ganz und gar veräußert.
Ein Mensch halber Sachen war die 1921 in Coesfeld geborene Malerin ohnehin nie. Gegen die gutbürgerlichen elterlichen Bedenken hatte sie sich für das Leben mit der Kunst entschieden. Sozusagen am Vorabend des Zweiten Weltkrieges hatte sie ihren Rucksack gepackt und sich an die Kunstakademie nach Prag aufgemacht. Der Krieg machte auch ihren Plänen vorerst ein Ende.
Nach 1945 nahm sie ihr Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie wieder auf, unter anderem in der Bildhauerklasse von Ewald Matarè. Aus dem kriegswunden Rheinland wechselte die Kommilitonin von Joseph Beuys in den stillen Eifelwald von Weißenseifen. Ein neues "Zurück zur Natur" sollte die Lungen weiten und die Seele heilen. Es wurden harte Jahre. Antonia Berning war weder im Leben noch in der Kunst ein Mensch für Rückzüge. Die Lücke im Gartenzaun, durch die man mühelos nach draußen schlüpfen konnte und die sie Besuchern lachend vorführte, hielt sie sich aber auch im Leben offen. Immer wieder verließ sie die Eifel, um die Welt zu bereisen.
All das findet sich in ihren Gemälden. Sie zeugen von der vitalen Energie ihrer Schöpferin. Die Farben und Zeichen der ausgestellten Mittel- und Großformate, die aneinander gesetzten Farbflächen sind Chiffren und Bilder gelebter Leidenschaft. Und Traumbilder allemal, ist doch das Traumblau eine der wichtigsten Farben im Werk der Künstlerin.
Im Zentrum der Schau steht Bernings Farbraum. In den 90ern hat die Malerin die Großformate begonnen und 2000 fertiggestellt. Die eng zusammenhängende Bilderfolge ist mit ihrem flammenden Rot, dem Sehnsuchtsblau, dem energischen Gelb und den verstörenden schwarzen Pinselstrichen so etwas wie eine gemalte Symphonie, in der die Stimmungen des Lebens der Malerin zum großen Farbklang werden. Wer sich in ihn vertieft, begegnet der Künstlerin in ihrer Wärme und Herzlichkeit, aber auch in ihrem unermüdlichen Kampfgeist.
Bis 24. Januar 2016, Dienstag bis Samstag 9-17 Uhr, Sonn- und Feiertag 13-17 Uhr, 0651/7105-255

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