In den Tiefen des Tartaros

TRIER. Kammersänger Kurt Moll und Jochen Schaaf (Klavier) setzten die Antikenfestspiele am Samstag im Theater mit einem großartigen Lieder- und Arienabend zum Thema "Mythos und Gral" fort.

 Gereiftes Timbre: Kurt Moll im Theater Trier.Foto: Willi Speicher

Gereiftes Timbre: Kurt Moll im Theater Trier.Foto: Willi Speicher

Seit sieben Jahren lebt Archibald Douglas in der Verbannung, weil seine Brüder einst Hochverrat begingen. Nun fasst der königstreue Edle all seinen Mut zusammen und bittet König Jakob, in die Heimat zurückkehren zu dürfen. Doch der Monarch antwortet dem Grafen mit schneidender Kürze: "Ich seh dich nicht, Graf Archibald".Wenn Kurt Moll "Archibald Douglas" von Carl Loewe singt, gewinnen die Figuren in Fontanes Ballade Stimme und Statur, Leben und Farbe: Der verbannte Graf in seinem Schmerz ebenso wie der hartherzige Herrscher. Ein packendes Drama spielt sich ab, und am Ende rührt der treue Vasall das Herz des Königs dann doch.So wie Kurt Moll stellt man sich einen Bassisten vor: Groß gewachsen, wohlbeleibt und mit ergrautem Haupthaar steht er hinter seinem Notenpult. Ein ernster Herr, wenn er in den Hades oder noch tiefer in den Tartaros hinabfährt und Schubert-Goethes "Grenzen der Menschheit" abschreitet; wenn er dem gegen die Götter aufbegehrenden "Prometheus" Basses Grundgewalt verleiht, dem "Ganymed" hingegen beinahe lichte Heiterkeit.Jochen Schaaf ist dabei kein bloß defensiver Begleiter, sondern befruchtender Partner. Er facht das Feuer der Zwei-Mann-Dramen an der Klaviatur noch an und entlockt dem Konzertflügel mitunter eine fast orchestrale Klangfülle. Das kann er sich auch leisten, erscheint der Baß des Mittsechzigers nach ein zwei rauhen Höhen beim Einsingen mit Haydns "Teilung der Erde" doch ungeschmälert an Fülle, Integrität und Kraft.Molls Timbre ist gereift, doch ungeschmälert an Wohllaut. Und je tiefer der Sänger in die Kellergewölbe seines Basses hinabsteigt, desto entspannter, schöner, wärmer tönt er. Da kann Göttervater Odin mit seinem Rappen in alter Frische über das Nordmeer reiten, ächzen August Kopischs Kölner Heinzelmännchen in der Vertonung von Loewe vor Fleiß, während der faule Schneidermeister wichtigtuerisch näselt. Kurz und gut: Worte gewinnen Farbe, Plastizität, Sinn und sind doch stets eingebettet in Legato-Bögen. Ein großer Liedersänger.Und ein großer Wagner-Interpret. Die Opernauszüge waren denn auch gewiß nicht nur dem Trierer Wagner-Verband geschuldet, der das Konzert präsentierte. Die Bonhomie seines Daland im "Fliegenden Holländer" und Gurnemanz‘ Mitleids-Espressivo im Karfreitagszauber des "Parsifal" gestaltet er ganz und gar frei, unterstreicht den stimmlichen Ausdruck mit Mimik und Gestik und lässt durch den Schlussmonolog des Sir Morosus aus Richard Strauss‘ "Schweigsamer Frau" auch Stefan Zweigs Ironie augenzwinkernd schmunzeln. Doch damit war die schöne Musik keineswegs vorbei: Bravi, Beifall, eine Zugaben-Trias und ein bühnenwirksamer Abgang mit Loewes "Prinz Eugen".

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