In der Hochburg der Kindergefühle

Diese Kinder-Spezialseite beschäftigt sich mit dem Thema "Kindergefühle". Das ist zugegebenermaßen ein weites Feld, denn Gefühle reichen schließlich in alle Lebensbereiche hinein. Ein Epizentrum in diesen Bereichen ist jedoch der Kindergarten. Kindliche Wut, Trauer, Freude und Angst sind hier Arbeitsalltag. Über diesen Alltag hat der TV mit einer Erzieherin gesprochen.

Bitburg. Kindergefühle. An kaum einem Ort treten sie so geballt auf, wie in einem Kindergarten. Auch in der Kindertagesstätte (Kita) der Lebenshilfe in Bitburg ist das so - eine Kita, die sich ganz besonders intensiv mit dem Thema "Gefühle" beschäftigt. Denn hierhin kommen auch Kinder mit Behinderungen. "Bei manchen ist das Sozialverhalten nicht so entwickelt. Da spielen Emotionen eine große Rolle", sagt Romy Toss, Leiterin der Regenbogen-Gruppe. Deshalb hat sich die Gruppe intensiv mit Gefühlen auseinandergesetzt. Die Kinder haben gelernt, was es heißt, wütend oder ängstlich zu sein, wie ihr Körper darauf reagiert; und sie haben gelernt, ihre Gefühle in Worte zu fassen. Sie wissen auch, wie sie aussehen, wenn sie ein bestimmtes Gefühl haben. Denn von jedem gibt es Fotos, auf denen sie die Augen ängstlich aufreißen oder so sehr strahlen, dass man die vielen Wackelzahnlücken sieht. Wut"Jedes Kind hat seinen Charakter, so klein es auch ist", sagt Romy Toss. Bei manchen sei die "Frustrationstoleranz" groß. Sie können gut damit umgehen, wenn ihnen jemand das Spielzeug wegnimmt. Andere wiederum werden sehr schnell wütend - mit allem was dazu gehört. Brüllen, aufstampfen, losschlagen oder sich weinend in die "Kuschelkiste" legen. Sie muss dann erstmal herausfinden, was überhaupt passiert ist, die Kinder beruhigen, mit ihnen über die Situation und ihre Gefühle sprechen. Und wenn nötig, Grenzen setzen: Denn wütend sein ist in Ordnung, nicht aber, andere Kinder zu schlagen. Da sei sehr viel Vermittlung nötig, sagt die Erzieherin. Besonders, weil es in einer integrativen Gruppe auch mal Kinder mit ungewöhnlich aggressivem Verhalten gibt oder Kinder, die nicht einschätzen können, wie leicht sie anderen weh tun. "Das erfordert viel Geduld und Einfühlungsvermögen." TrauerAuch die bringen Kinder mit in den Kindergarten. Im schlimmsten Fall, wenn Vater oder Mutter gestorben sind. "Sie ziehen sich zurück, sprechen wenig, weinen und können vielleicht irgendwann sagen: ,Ich vermisse die Mama', sagt Toss. Es sei wichtig, ihnen Halt zu geben: sie auf den Schoß zu nehmen, ihnen zu sagen, wer noch alles für sie da ist, sie zu trösten…Alltäglicher und häufiger ist die Trauer der ganz jungen Kinder, die zum ersten Mal ohne ihre Mama sein müssen, und derjenigen, die den Kindergarten verlassen müssen. "Sie merken, hier passiert etwas Neues und haben Verlustängste." Doch die meisten freuten sich auf die Schule, sagt Toss. "Wir versuchen, ihnen ein schönes Bild davon zu vermitteln." Freude"Viele Kinder kommen morgens schon freudestrahlend hierher", sagt die Erzieherin - Freude scheint glücklicherweise ein Gefühl zu sein, dass die Kinder sehr oft empfinden. Sie freuen sich, weil sie ihre Spielkameraden sehen, weil sie Fußball spielen werden, sie mit Tischdecken dran sind oder weil es Teeschorle gibt - das Lieblingsgetränk der Regenbogen-Gruppe. Jedes Kind hat einen Ordner mit Fotos, Bildern und Texten, der besonders schöne Momente festhält: Das erste Mal auf einem Pferderücken, Spaß bei der Kartoffelernte…"Kinder freuen sich viel mehr als Erwachsene", sagt Toss. Sie machen sich nicht so viele Gedanken, sind ungezwungener, denken an heute und können sich unter morgen nichts vorstellen. Kein Wunder, dass sich viele Erwachsene manchmal nach der Unbeschwertheit ihrer Kindertage zurücksehnen. AngstEs hat seinen Grund, warum die Rolläden beim Mittagsschläfchen immer ein Stück weit offen bleiben. Denn manche Kinder fürchten die Dunkelheit. Andere haben Angst vor Spinnen, wieder andere vorm Balancieren. "Wir versuchen, ihnen die Angst zu nehmen", sagt Toss. Sich (wenn die Kinder das zulassen) mit ihnen eine Spinne mal ganz in Ruhe anzusehen oder sie beim Balancieren an die Hand zu nehmen. Die meisten Kinder sagen Bescheid, wenn sie Angst haben. Schwierig sei es bei jenen, die nicht sprechen können. Da müsse man sehr genau auf Mimik und Körperhaltung achten. Egal welches Gefühl: Es sei wichtig, die Kinder genau zu beobachten, sagt Toss. "Sie spielen einem nichts vor. Sie verhalten sich so, wie sie sich fühlen." Sie beobachten, mit ihnen über die Gefühle sprechen, sie ernst nehmen, ihnen Zeit lassen und wenn nötig auch mal Grenzen setzen. All das ist Arbeitsalltag in der Hochburg der Kindergefühle.

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