Innehalten und nachklingen lassen

TRIER. Der dramatische Schwung blieb aus. Dvoraks "Requiem" klang beim Trierer Konzertchor eher sanft und freundlich. Manfred May setzte in St. Maximin andere Schwerpunkte.

Ja, es irritiert! Den ersten Fortissimo-Einsatz im "Requiem aeternam" singt der Trierer Konzertchor verhalten, fast bedächtig. Und das hoch dramatische "Dies irae" - da klingt wenig Schärfe, wenig Wucht und auch wenig rhythmische Energie mit. Und wer auf Manfred Mays Dirigiergestik achtet, stellt verwundert fest, dass der diese Energie gar nicht verlangt.Chor zehrt nicht von Routine

Der Leiter des Trierer Konzertchors setzte andere Schwerpunkte. Antonin Dvoráks Requiem unterscheidet sich von den meisten klassisch-romantischen Kompositionen. Statt in Schwung zu kommen und dann weiterzulaufen, hält die Musik immer wieder still, holt Atem, klingt aus, horcht nach, versenkt sich fast mystisch in Einzelheiten. Da entfaltete die Aufführung ihre schönsten Momente. Da beschwor sie Ergebung und Jenseitigkeit. Für den Chor bringt das neben den üblichen Anforderungen an Klangglanz, Intonation und Sprache einige Angststellen mit. Die geraten dem Trierer Konzertchor gelegentlich ein wenig diffus. Die Einwürfe des Frauenchors im "Graduale", die introvertierten Zwischenrufe im "Offertorium", die a-cappella-Partien im "Hostias" - man spürt, dass die Sängerinnen und Sänger nicht von Routine zehren. Aber vielleicht hat Dvorak dieses Zaghafte ja gerade mitkomponiert. Und immer wieder klingt die gläubige Hingabe dieser Musik mit. Schade, dass das Solistenquartett das Niveau der übrigen Gruppen nicht erreichte. Die gewaltsame Klangfülle von Siegmund Nimsgern, die enge, unflexible und nasale Tongebung beim Tenor Jörg Brückner, Ursula Targlers unausgeglichener und unsauberer Sopran - da konnte auch die gradlinig, sauber und mit groß angelegten Linien musizierende Margarete Joswig wenig ausrichten, und die Quartettsätze näherten sich zeitweise der Atonalität. Dafür entschädigte das glänzend musizierende Städtische Orchester: Ein homogener und sauberer Holzbläsersatz, markant-kultiviertes Blech und Streicher, die bis in die höchsten Höhen einheitlich und klangschön bleiben. Es zahlt sich aus, dass Manfred May mit einem Orchester am Ort arbeiten und eingehend proben konnte. So musizierten sich die Interpreten immer tiefer ins Werk hinein und trafen schließlich im "Offertorium" ganz den Tonfall der Musik. Eine leise, fast mystische Holzbläser-Einleitung, dann Chor und Solisten mit ihrer unschematischen, liturgienahen Melodik, ein volkstümlicher, mal sanft wiegender, mal hymnisch starker Gesang. Die große Fuge "Quam olim Abrahae" gerät zu einem Glanzstück, gerade weil man nicht einseitig auf Glanz setzt und Kontrapunkte durchexerziert. Manfred May nimmt diesen groß angelegten Satz federnd-flexibel - waches Eingedenken statt martialischer Archaik. Der Jubel blieb aus in der voll besetzten Abteikirche St. Maximin. Aber die Musik entfaltete spürbar ihre stille Eindringlichkeit.

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