Intrigen, Rum und heiße Küsse

HAMBURG. Bisher hat sich Ulrich Wickert als Bestseller-Autor zu wichtigen gesellschaftlichen Themen geäußert. Nun ist der hauptamtliche Moderator unter die Krimischreiber gegangen. Mit "Der Richter aus Paris" legt er einen Polit-Thriller nach einem wahren Kriminalfall vor.

Millionen Zuschauer kennen ihn als "Mister Tagesthemen", und auch als Sachbuchautor ist er seit Jahren erfolgreich. Doch das alles reicht Ulrich Wickert nicht: Der 60-jährige Fernsehjournalist ist jetzt auch noch unter die Krimiautoren gegangen und hat seinen ersten Roman veröffentlicht. "Der Richter aus Paris" ist der Titel des Politkrimis, in dem ein unbeugsamer französischer Richter einen Sumpf aus Korruption und Intrigen trockenlegen will und nebenbei die Liebe seines Lebens findet. Der Held ist redlich - und ein Genussmensch

"Jacques sah sie tanzen, geschmeidig und mit abwesendem Blick zum Rhythmus der Trommeln. Sie hatte ihren schlanken Körper in ein fröhlich buntes Madrastuch gewickelt." So beginnt die 256 Seiten lange fiktive Geschichte, die in 13 Kapiteln vom größten Fall im Leben des Pariser Untersuchungsrichters Jacques Ricou erzählt. Ein Mann, der zwar gewissenhaft und redlich ist, das Leben aber auch in vollen Zügen genießt: Wickert lässt seinen Helden unentwegt in kulinarischen Genüssen schwelgen - vom schlichten Steak über Seeigelsuppe bis zu Kaimanschwänzen in Ingwersauce. Dazu gibt es Rum, Whisky, Zitronenlikör und Wein bis zum Abwinken. Zu Beginn des Buchs reist Jacques nach Martinique, wo er den Mörder eines Generals finden will. Der Tote war in einen Skandal um Schmiergelder und schwarze Parteikassen verstrickt, der bis in höchste politische Kreise reicht und dem Nachrichtenmann Wickert die Gelegenheit gibt, auf etliche reale Politskandale wie etwa die Leuna-Affäre anzuspielen. Nicht umsonst trägt das Buch den Untertitel "Eine fast wahre Geschichte", vieles darin basiert laut Wickert auf wahren Begebenheiten. Als der unbestechliche Richter Jacques auf Martinique ankommt, ist sein Hauptverdächtiger tot - angeblich starb Gilles Maurel bei einem Reitunfall. Doch Maurels Witwe, die sinnliche Kreolin Amadée, strotzt vor Lebenslust und verführt Jacques mühelos, denn: "Sie verkörperte die Karibik, die Ferne, in der er sich gern heimisch fühlen würde." Dummerweise landet ein heimlich aufgenommenes Foto des Pärchens in der Presse, was dem Richter ein paar üble Schlagzeilen und Ärger mit seiner Lebensgefährtin, der Top-Journalistin Margaux, einbringt. Das alles hält den wackeren Mann nicht von seinen Ermittlungen ab - und der frankophile Wickert, der lange Zeit ARD-Korrespondent in Paris war, lässt Jacques Recherchen zu einer Reise quer durch die jüngere französische Geschichte werden. Im Mittelpunkt stehen dabei Gräueltaten während des Indochina- und des Algerienkrieges in den 50er Jahren. In diesen Passagen offenbart Wickert großen Kenntnisreichtum, ebenso wie bei den Stellen über schwarze Parteikassen und Schmiergeldzahlungen. Doch vieles davon wird unglaublich zäh und trocken erzählt, die eigentlich nicht ungeschickt konstruierte Story kommt deshalb nur schwer in die Gänge. Überhaupt ist das Buch stilistisch arg schlicht, und wenn es um die Liebesgeschichte geht ("Sie umarmte ihn, und sie verloren sich in einem langen Kuss", "Sie ließ ihren warmen, süßlichen Duft zurück"), liest sich der Schmöker wie ein Groschenroman. Dann wieder leistet sich der Autor manierierte Einschübe, etwa über "Schrotflinten mit Anschlag aus Rosenholz", die ebenso ausführlich geschildert werden wie ein Bilderrahmen aus poliertem Mahagoni oder ein schön gedeckter Frühstückstisch ("Ihm fiel auf, dass das dünne, mit tropischen Vögeln bemalte Porzellan von Hermès stammte, das Silberbesteck von Christofle"). Am Schluss wird‘s dann so richtig kitschig

Auf den letzten Seiten wird das Werk, das mit einem überraschenden Schluss aufwartet, sogar noch einmal richtig kitschig. Doch zu diesem Zeitpunkt ist dem Leser ohnehin klar, dass Fernsehjournalist Ulrich Wickert kein begnadeter Schreiber ist und in Zukunft lieber das Sprichwort "Schuster, bleib bei deinem Leisten" beherzigen sollte. Freilich: Auch die bisherigen Bücher Wickerts wie etwa "Der Ehrliche ist der Dumme" kamen in der Kritik oft schlecht weg. In den Bestsellerlisten landeten sie trotzdem regelmäßig.

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