Ist das Leben nicht schön? Na, und ob!

New York · Kein Fest ohne diesen Film: Frank Capras "Ist das Leben nicht schön, erstmals am 20. Dezember 1946 im Kino zu sehen, wird alljährlich mehrfach im US-Fernsehen gezeigt. Und im deutschen ebenfalls - wenn in diesem Jahr auch nur in Nischenkanälen.

New York. "Capracorn" nannten die Kritiker die Filme des 1897 auf Sizilien geborenen Francesco Rosario Capra, ein Wortspiel, zusammengesetzt aus seinem Namen und dem Begriff "corn", was so viel wie Kitsch bedeutet. Trotz allem Rezensentenspott: Der 1903 mit seiner Familie in die USA emigrierte Junge wurde als Frank Capra einer der erfolgreichsten Regisseure der 1930er und 40er Jahre. Seine Geschichten spielen meist in der Provinz (abgesehen etwa von den aberwitzigen Komödien "Es geschah in einer Nacht" oder "Arsen und Spitzenhäubchen") und stimmen das Hohelied des "American way of life" an, auf dem der "kleine Mann", Capras Lieblingsfigur, als Unterdrückter seinen Weg beginnt und als Sieger ins Ziel einläuft.
Einen solchen Helden verkörpert James Stewart auch in dem Film "Ist das Leben nicht schön?": George Bailey, ausgerechnet am Heiligen Abend am Tiefpunkt seines Lebens angekommen, wünscht sich, er wäre nie geboren und beschließt, ins Wasser zu springen. Im letzten Moment wird ihm sein ganz persönlicher Engel an die Seite geschickt, der dem Selbstmordkandidaten vor Augen führt, wie es seiner Familie, seinen Freunden und sogar seiner Stadt, dem fiktiven Bedford Falls, ergangen wäre, wenn George nicht immer wieder eingegriffen hätte. Das Leben der anderen, so die Botschaft, wäre ohne ihn eine ziemlich trostlose Angelegenheit gewesen.
"Ist das Leben nicht schön?" ist ein Weihnachtsfilm, wie man ihn sich gefühlvoller und sentimentaler schwerlich vorstellen kann. Was wohl auch der Grund dafür war, dass er nach der Uraufführung zunächst ziemlich schnell in Vergessenheit geriet. Ein derlei "illusorisches Lebenskonzept", wie es der Kritiker der New York Times bemängelte, passte einfach nicht in eine Zeit, die soeben den schlimmsten Krieg von allen bisherigen überstanden hatte. Auch das FBI schwang sich zum Kritiker auf - allerdings nicht mit künstlerischen Argumenten; vielmehr witterten die paranoiden Beamten unter ihrem umstrittenen Chef J. Edgar Hoover Kommunismuspropaganda und Kapitalismuskritik in der Geschichte, weil ein Banker der meistgehasste Charakter in der Story war.
Gedreht wurde der Winterfilm im Hochsommer; der Aufwand, der betrieben wurde, war beträchtlich: Eine 275 Meter lange Hauptstraße wurde angelegt, 75 Geschäfte rechts und links gebaut, riesige Bäume wurden für eine Allee verpflanzt, und der häufig fallende Schnee bestand aus weiß gefärbten Cornflakes. Weil die beim Drehen laut knirschten, mussten viele Szenen nachsynchronisiert werden. Neben James Stewart konnte Capra die Theaterlegende Lionel Barrymore (als verhasster Banker) und zahlreiche Topstars aus jenen Tagen verpflichten (Gloria Grahame, Henry Travers oder Thomas Mitchell) - und als Georges Freundin und Ehefrau eine junge Schauspielerin, die den Durchbruch noch nicht geschafft hatte, was sich nach diesem Film radikal ändern sollte: Donna Reed.
Doch es schien alles vergebene Liebesmüh: Der Film, der für damalige Zeiten unglaubliche 3,2 Millionen Dollar kostete, spielte gerade einmal 100 000 Dollar mehr ein - nach buchhalterischen Maßstäben also ein ziemlicher Flop. Und damit setzte auch die Abenddämmerung von Capras Karriere ein. Die Filmrechte wanderten von seiner kurzlebigen Produktionsgesellschaft "Liberty Films" an die "National Telefilm Associates" (NTA) und hätten immer wieder erneuert werden müssen. Irgendwann in den 1970er Jahren verschlampte die NTA jedoch den Termin - und nun war der Film (kosten-)frei für sämtliche Fernsehsender, die keine teuren Eigenproduktionen für die Feiertage mehr drehen mussten. Damit begann der unaufhaltsame Aufstieg von "Ist das Leben nicht schön", von dem sein Schöpfer angesichts der schlechten Kritiken trotzig behauptete: "Ich hielt ihn für den größten Film, den ich je gemacht hatte. Nein, noch besser: Ich hielt ihn für den größten Film, der jemals gemacht wurde. Er war weder für die ach so gelangweilten Kritiker noch für die ach so abgestumpften Literaten gemacht. ... (Es war) ein Film, der den Erschöpften, den Entmutigten und den Desillusionierten, dem Säufer, der Prostituierten und denen, die hinter Gefängnismauern saßen, sagen wollte, dass kein Mensch eine Niete ist." Wenn das keine Weihnachtsbotschaft ist!
Dieses Jahr zu sehen bei: Servus TVHD (23. und 24. Dezember, 21.35 und 12.05 Uhr) sowie in Sky Nostalgie (24. Dezember, 18 Uhr).

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