Jonny schminkt sich ab

Eine Oper mit Jazz- und Saxophon-Klängen, die unter anderem auf einem Bahnhof und in einem Polizei-Auto spielt: Solch unkonventionellen Stoff bietet das Pfalztheater Kaiserslautern mit Kreneks "Jonny spielt auf".

 Die Diva, der Star-Geiger und ein Zimmerschlüssel. Foto: Pfalztheater

Die Diva, der Star-Geiger und ein Zimmerschlüssel. Foto: Pfalztheater

Kaiserslautern. (DiL) Die 1927 entstandene Oper "Jonny spielt auf" ist eine Art Legende. Als "Jazz-Oper" apostrophiert und europaweit mit sensationellem Erfolg gestartet, diente sie den Nazis als Parade-Objekt der "Entarteten Kunst". Verfemt und verboten, wurde sie nach dem Krieg zum festen Bestandteil der Geschichtsbücher, schaffte es aber nur selten auf die Spielpläne.Im Pfalztheater hat man das schwungvolle Stück um einen schwarzen Jazz-Geiger, einen weißen Violinen-Virtuosen, einen bodenständigen Komponisten und eine schräge Diva mutig ins Repertoire genommen. Es geht um Liebe, Eifersucht, eine geklaute Edel-Geige, die Polizei und einen der ungewöhnlichsten Opern-Tode: Jemand kommt unter einen fahrenden Zug. Das Stück des Österreichers Ernst Krenek war in den wilden Zwanziger Jahren eine Persiflage auf den Zeitgeist, zwischen deutschtümelnder Berg-Seligkeit, schrägem Großstadt-Leben, technischer Moderne und der Hoffnung auf die neue Welt Amerika, die nicht nur den Jazz, sondern eine innovative Lebens-Art bringen sollte. Regisseur Gregor Horres sucht Anknüpfungspunkte an die Jetzt-Zeit. Die Szenen sind durch ein animiertes Computer-Spiel verknüpft, der altmodische Komponist und Gletscher-Fan Max kommt daher wie ein Kastelruther Spatz, die Diva Anita ist geradewegs "Klimbim" entsprungen. Der Violin-Virtuose Daniello ist ein André-Rieu-Verschnitt mit Brusthaar-Toupet, dem Jonny im Rapper-Outfit die ganz in weiß gefasste Geige klaut. Das ist recht spaßig, passt bisweilen auch erstaunlich gut zu den Original-Texten. Unterm Strich bleibt es allerdings ein Ideen-Sammelsurium. Die optische Umsetzung (Bühne: Rudolf Rischer) ist originell und findet immer wieder überraschende Lösungen, die grellbunten Latex-Kostüme (Yvonne Forster) setzen nicht nur hinreißende Farbtupfer, sie unterstreichen auch die Ironie der Handlung. Das Orchester spielt unter Uwe Sandner mit Biss und Schwung, trifft die (dezenten) Jazz-Anklänge ebenso wie die dramatischen Töne - und lässt die Romantik nicht zu kurz kommen. Gesungen wird durchweg respektabel, wobei die Damen (Monika Teepe und Arlette Meißner) den stärksten Eindruck hinterlassen. Wo Ernst Krenek ans Ende die "Hoffnung Amerika" gesetzt hat, lässt die Regie im Finale skeptisch Kitsch und Kommerz triumphieren. Jonny spielt nicht auf, er schminkt sich seine Illusionen ab. Die begehrte Geige verschwindet im Kasten. 20., 26., 29. Februar, 2., 9., 26. März. Info: 0631/3675-209.

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