Jubel wie im Jazzkeller

Bernkastel-Kues · Ein Riesenerfolg: Valer Sabadus und sein Ensemble treten beim Mosel Musikfestival im Barocksaal des ehemaligen Klosters Machern auf.

 Glanzvoller Barock: Counter-Tenor Valer Sabadus und das Ensemble Nuovo Aspetto. TV-Foto: Martin Möller

Glanzvoller Barock: Counter-Tenor Valer Sabadus und das Ensemble Nuovo Aspetto. TV-Foto: Martin Möller

Foto: Martin Möller (mö) ("TV-Upload M?ller"

Bernkastel-Kues Waren das damals Zeiten! Wer in den 1950er und 60er Jahren Barockmusik hören wollte, stieß meist auf Ensembles, die ihren Telemann, Corelli oder Albinoni bedächtig und mit leicht religiösem Unterton zelebrierten. Manche Streicher zogen Darmsaiten auf und musizierten weiter wie bisher, nur etwas unreiner, und das Fabrikcembalo lieferte dazu Tonfolgen von nähmaschinenhafter Emsigkeit. Heute klingt diese Musik völlig anders. Barockinterpretation hat eine atemberaubende Entwicklung vollzogen. Dafür ist das Ensemble Nuovo Aspetto nur ein Beispiel, freilich ein sehr markantes.
Schon die Breite und Vielfalt des Instrumentariums im Kloster Machern versprach Musizieren vom Feinsten. Da kamen Psalterium, Harfe, Laute, Cello, das Klarinetteninstrument Chalumeau, Traversflöte, Violinen, Viola, Bass und Cembalo in immer wieder neuen Kombinationen zusammen. Und über allem entfaltete Valer Sabadus seinen wunderbar weichen Counter-Tenor. Keine Schärfe, kaum einmal ein Ausreißer in der Höhe beeinträchtigt diesen Gesang. Hinzu kommt eine bis ins Körperliche reichende Klang-Gestik und Klang-Rhetorik. Freilich stellt sich auf Dauer in der Stimmfarbe eine gewisse Einförmigkeit ein. Das mag ein Preis sein für diese warme, runde Tongebung.
Mosel Musikfestival


Für die Musik aus der Glanzzeit des barocken Wien Anfang bis Mitte des 18. Jahrhunderts waren der Gesangsstil und die wechselnden Instrumentenbesetzungen jedenfalls ein Glücksfall. Die Kompositionen des kaiserlichen Vizekapellmeisters Antonio Caldara und dessen Wiener Kollegen Johann Georg Reutter und Bartolomeo Conti - all diese Werke entfalteten bei diesem Ensemble eine leichte, helle, ornamentenreiche Kompositionskultur, bei der unvermittelt Assoziationen zum barocken Baustil aufkommen. Noch mehr: Sabadus und vor allem seinen Instrumentalisten gelingt es, die dramatischen Nuancen der Opernarien zu entfalten - Zorn und Zärtlichkeit, Erregung und Gelassenheit und dazu oft eine deutliche Tanznähe.
Beim Nuovo Aspetto ist all das in besten Händen. Die Dramaturgie auf dem Podium ist perfekt, Positionswechsel vollziehen sich wie am Schnürchen.
Und auch ungewöhnliche Besetzungen überzeugen. Da mischt sich die Traversflöte perfekt mit dem Chalumeau. Psalterium, Chalumeau, Harfe, Laute und Cembalo entwickeln ein hellklingendes und doch erstaunlich stabiles Klangfundament. Und über allem tönt das halbwegs folkloristische Psalterium, das Hackbrett.
Knapp 200 Besucher im fast voll besetzten Barocksaal Machern applaudierten stehend, und manche ergänzten den Jubel mit Pfiffen, als wären sie im Jazzkeller. Was wohl Caldaras Brotherr Karl VI. dazu gesagt hätte?

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