KOLUMNE

Da haben Sie aber so richtig mitten reingegriffen ins Klo mit Ihrem "Wetten, dass"- Spruch von den Bierdosen als "Hartz- IV-Stelzen". Via Bildzeitung mussten Sie sich entschuldigen, die Süddeutsche titulierte Sie als "schöner Depp", das Deutsche Erwerbslosen-Forum fordert vom ZDF öffentliche Wiedergutmachung nebst der förmlichen Bestätigung, dass keineswegs jeder Hartz-IV-Empfänger Alkoholiker sei.

Was für ein Schlamassel. Dabei hätten Sie es beim ollen Tucholsky schon 1919 nachlesen können: Wenn einer einen politischen Witz macht, "sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel". Wie? Wer Tucholsky ist? Nein, das ist nicht der Gag-Autor von der Vorabendserie, die Sie im Sommer in Malibu immer so gerne schauen. Das ist... na ja, warum soll ich mir die Mühe geben, Ihnen das groß zu erklären. Dieser Tucholsky hatte sowieso eher an gute Witze gedacht, und dazu gehört Ihr Kalauer nun wirklich nicht. Aber für ein bisschen bescheuert darf man die Deutschen schon halten angesichts dieser Aufregung, oder? Immerhin haben Sie sich während " Wetten, dass" ja schon mehrfach selbst gegeißelt für Ihren Ausrutscher. Und in einer Live-Sendung kann einem ja auch schon mal eine Pointe danebengehen. Für Ihr Outfit kann man diese Entschuldigung freilich nicht gelten lassen. Ich gebe ja zu: Man hat auch schon Hollywood-Stars ähnlich vermustert durch die Gegend laufen sehen. Aber das war doch nur, weil sie sich so schräg maskiert haben, damit die Paparazzi sie nicht erkennen. Und, eh ich's vergesse: Sah nicht früher mal dieser stets bekiffte Sänger von "Slade" so ähnlich aus, mit Hütchen, blonden Locken und Gesichts-Gemüse? Was soll's. So lange am Samstagabend 13 Millionen Leute zuschalten, kann das alles nicht so falsch sein, was Sie da machen. Und irgendwie imponieren Sie mir mit Ihrer steten Weigerung, erwachsen zu werden. Aber trotzdem: Ewig kann man diese Rolle von Mamas großem Liebling, der alles darf, wofür man andere verprügeln würde, auch nicht spielen. Irgendwann geht das nahtlos von der Genialität in die Peinlichkeit über. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie diese Grenzlinie nicht übersehen. Dieter Lintz

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