KOLUMNE

Da hatten wir schon gedacht, Sie wären auf Ihre alten Tage ruhig geworden. Seit Monaten keinen Mitspieler mehr ins Ohr gebissen, kaum noch Urschreie auf der Torlinie, kein ausgefahrenes Knie in Höhe des gegnerischen Kehlkopfs: Das war einfach nicht mehr der Oliver Kahn, den wir kannten.

Da haben Sie sich wohl bei der letzten Doping-Probe gedacht, Sie müssten mal wieder was für Ihr Image tun. So ein durch die Kabine fliegender Urin-Becher und ein paar kräftige Flüche für den Uefa-Arzt: Da ist er doch wieder, der Neandertaler, der tief in jedem Menschen wohnt. Nur dass die meisten Leute ihren inneren Schweinehund im Gegensatz zu Ihnen unterdrücken, statt ihn gelegentlich raus zu lassen. Vielleicht ist das alles aber auch das Ergebnis eines bedauerlichen Missverständnisses, und man muss Ihnen einfach nur erklären, warum Ihnen der böse Doktor beim Pipimachen partout zusehen will. Das ist nicht, weil der Sie ärgern will. Das wurde eingeführt, nachdem vor vielen Jahren die Untersuchung der Urinprobe eines russischen Kugelstoßers ergab, dass der gute Mann im zweiten Monat schwanger war. Seither achten die Doping-Prüfer ein bisschen genauer darauf, wo das herkommt, was im Becherchen landet. Und bei Ihnen passen sie vielleicht besonders penibel auf, sind doch manche Ihrer Verhaltensweisen durch Doping noch am freundlichsten zu erklären. Na ja, Schwamm drüber. Man kann ja auch mal ausrasten, dann kriegt man im Gegenzug eins auf die Nuss, und gut is. Was ich nur nicht verstehe, ist, warum Sie und Ihr Verein die vergleichsweise bescheidene Sperre nicht einfach akzeptiert haben. Da wäre die ganze Pinkel-Eskapade ohne großes Aufsehen erledigt gewesen, niemand hätte sich mit den unappetitlichen Details beschäftigen müssen - und Ihr Vertreter hätte sich gefreut, endlich mal beweisen zu können, dass er einer der besten Torhüter im Lande ist, wie Uli Hoeneß immer behauptet. Aber nein. Für Bayern gelten ja nicht die Regeln wie fürs gemeine Volk. Man wird doch wohl noch ein bisschen pöbeln dürfen, ohne die Konsequenzen zu tragen. Da unterscheidet sich der Fußball übrigens nicht von der Politik. Der Herr CSU-Generalsekretär Söder pflegt schließlich auch mit mancherlei Unappetitlichkeiten durch die Gegend zu werfen, findet das aber hinterher alles nicht schlimm und wundert sich, wenn andere sich aufregen. Dieter Lintz

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