KOLUMNE

was war das für ein bitteres Erwachen nach den langen Flitterwochen. Ganz Deutschland war im Fußball-Honeymoon, als Sie letzten Sommer den maroden Laden Nationalmannschaft übernahmen, bevor am Ende noch Methusalix Rehhagel oder Schnupffix Daum das Aushängeschild der Republik in die Finger bekamen.

Der Confed-Cup geriet zum kollektiven sportlichen Orgasmus. "Klinsi" taufte die Bildzeitung Sie liebevoll, und Ihr Lustfußball verzückte Fußball-Fans und -Ignoranten gleichermaßen. Lauter nette, junge Spieler, und gleich so gut! Prompt wurden die ersten Wetten auf den WM-Titel abgeschlossen. Und nun? Ihre Jung-Kicker haben ein paar ausgeprochen mäßige Spiele auf den Rasen gefläzt. Nicht gerade erfreulich, aber eigentlich ganz normal, wenn eine Mannschaft sich im Aufbau befindet. Aber das gilt keineswegs in einem Land, in dem es nur "Hosiannah" oder "Kreuziget ihn" gibt, und dazwischen: nichts. Die Bildzeitung ernannte Sie postwendend zum "Krisi", und dieselben Nasen, die sich vorher vor lauter Begeisterung nicht einkriegen konnten, rotzen Sie jetzt tagtäglich an. An den Stammtischen und in den Kantinen führt Herr "Dashabichschonimmergewusst" das große Wort, auch wenn er vor Jahresfrist noch das Beitrittsformular zum ultimativen Klinsmann-Fanclub unterzeichnet hat. Jeder journalistische Griffelspitzer - oder heißen die heute Tastatur-Putzer? - chauffiert sich über die "offene Torwartfrage", als seien es die Herren Lehmann und Kahn, die mit Knoten in den Beinen durchs Mittelfeld stolpern. Und zuguterletzt quakt die unsägliche Unke aus München wieder dazwischen, jener Herr Hoeness, der seit 30 Jahren einen aus eigener Dummheit verschossenen und offenbar psychisch unbewältigten Elfmeter durch Anrempeleien gegenüber Dritten zu kompensieren sucht. Ach Herr Klinsmann, wissen Sie, wenn ich Sie wäre, würde ich mir das depressive Getue in Miesmacherland gar nicht mehr antun. Lassen Sie sich eine schöne DVD mit den "Ich bin Deutschland"-Werbespots brennen, legen Sie das Ding daheim in Kalifornien ins Abspielgerät und denken Sie in der Ferne schaudernd an den deutschen Winter. Wir finden hier schon einen Bundestrainer, der zu unserem Intellekt und zu unserem Fußball-Stil besser passt. Matthäus oder Briegel kämen sicher gern. Dieter Lintz

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort