KOLUMNE

Na, Herr Klinsmann, da haben Sie eine so tolle Taktik und dann fällt Ihnen der Kaiser einfach so in den Rücken. Dabei hätte der Aufschrei, der durch das Vaterland des Fußballs ging, vermieden werden können.

Sie hatten alles so geschickt eingefädelt. Vor dem Spiel gegen Italien riefen Sie Ihre Jungs zusammen und erläuterten den Schlachtplan. "Wir holen uns eine richtige Klatsche ab", sagten Sie - und die meisten ihrer Kicker standen mit offenem Mund vor Ihnen. Aber fast alle hatten die Situation auch intellektuell schnell verarbeitet. 100 Tage vor der WM sollten sie ein erneutes Desaster abliefern und so den Druck und die Erwartungshaltung in der Heimat so rapide in den Keller fahren, dass bei der WM schon das Erreichen des Achtelfinales als sensationeller Erfolg gewertet würde. Die Fans würden sagen: "Damit konnte nun wirklich keiner rechnen. Weißt du noch, wie die damals von Italien an die Wand gespielt wurden?" Klinsmann hätte sein Ziel erreicht. Doch nicht alle Spieler konnten mit der Taktik leben. Oliver Kahn meldete sich - angewidert von so wenig Ehrgefühl des Bundestrainers - sofort krank für das Italien-Spiel. Wohl wissend, dass sein Konkurrent Jens Lehmann die Bude voll bekäme - also gar kein so schlechter Schachzug. Aber einer konnte seine gekränkte Eitelkeit und seinen Nationalstolz nicht auf sich sitzen lassen und opponierte lautstark. Im Nachhinein nicht ganz so clever, denn Klinsmann warf Spielverderber Christian Wörns aus dem WM-Kader. Fußball-Deutschland ließ man wissen, es gehe um die Nicht-Nominierung, aber der wahre Grund sollte nie an die Öffentlichkeit gelangen. Bliebe nur noch der nun wild tobende Beckenbauer. Nachdem DFB-Präsident Mayer-Vorfelder bei einem Glas Dornfelder den Geheimplan abgesegnet hatte, versuchte man vergeblich, den auf Welttour befindlichen Kaiser zu erreichen. Da Beckenbauer vergaß, seine Mobilbox abzuhören, musste er von einem echten Desaster ausgehen, und Sie, Herr Klinsmann, sind nun sein Buhmann. Ab sofort sollte Ihr Vorgänger also bei jeder Besprechung dabei sein, dann klappt es auch mit der WM.Björn Pazen

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