Kabale und Liebe im Museum

KAISERSLAUTERN. Erstmals auf der Bühne des Pfalztheaters: die Oper "Julius Cäsar in Ägypten" von Händel. Regie führt der Trierer Intendant Heinz Lukas-Kindermann. Die Inszenierung ist ein Glücksfall für Kaiserslautern.

Als Georg Friedrich Händel seine Opern schrieb, jubelte das Publikum den Alt- und Soprankastraten zu: Herren, die aufgrund eines kleinen chirurgischen Eingriffs in der Kindheit ein Leben lang mit ihrer etwas voluminöser gewordenen Knabenstimme sangen. Wenn heute eine Händel-Oper auf dem Spielplan eines Repertoire-Theaters erscheint, dann steht diesem Haus zumeist eine Sängerin von Format zur Verfügung, deren Stimme es mit jenen der barocken Vokalartisten jederzeit aufnehmen kann. Am Kaiserslauterer Pfalztheater heißt diese Sängerin Susan Maclean, die nach vielen schweren Verdi- und Wagner-Partien nun als "Julius Caesar" eindrücklich unter Beweis stellte, dass sie sich ihre "geläufige Gurgel" bewahrt hat. "Uraufführung" in der Pfalz

Der 1724 uraufgeführte "Giulio Cesare in Egitto" hat, obwohl eine der am häufigsten aufgeführten Händel-Opern überhaupt, in der über 140-jährigen Geschichte des Pfalztheaters bislang noch nie den Weg auf diese Bühne gefunden. Mit der "Pfälzer Uraufführung" vom vergangenen Wochenende wurde dieses Versäumnis nachgeholt und zugleich unter Beweis gestellt, dass es nicht zwingend ausgewiesener Barock-Spezialisten bedarf, um eine musikalisch wie szenisch gleichermaßen rundum geglückte Aufführung der im gängigen Repertoire immer noch ein wenig "exotisch" empfundenen Gattung zu realisieren. Selbstverständlich genügt auch eine einzige Stimme nicht für den Erfolg. Am Londoner Haymarket rivalisierten Primadonnen - ob weiblich oder männlich - einst um die Wette. Kein Wunder also, dass auch die anderen Partien dem Julius Caesar an musikalischer Brillanz nicht nachstehen. Der kleine Unterschied: die Vielschichtigkeit der Titelfigur - siegreicher Feldherr, edler Römer, Philosoph und galanter Liebhaber zugleich. Heute würde der Komponist die Oper vielleicht "Caesar und Cleopatra" nennen, angesichts einer Sängerin wie Carmen Acosta, die als mit viel Sexappeal um Herrschaftsanspruch kämpfende Ägypterin ein Brillantfeuerwerk an Soprankoloraturen entfachte und ebenso überzeugend raffiniertes Luder wie anrührend trauernde Liebende war. Alle Facetten edler Altistinnen-Klage zog Sylvia Fichtl als Cornelia, Witwe des ermordeten römischen Feldherrn und Cäsar-Gegenspielers Pompejus. Heidi Zehnders schlankem Mezzo hätte man trotz der bekannten Wiederholungen Händelscher Arien gerne immer weiter zugehört. Die Zeit der Kastraten ist lange vorbei. Heute gibt es wenige Countertenöre, in Falsettlage singende Männer. Sie sind für die Aufführung alter Musik sehr gesucht. Das Pfalztheater hat Thomas Diestler gefunden, der als Cleopatras intriganter Bruder Ptolomäus ideal besetzt war. Die große Zeit der Bässe sollte erst später kommen, bei Händel blieben ihnen lediglich Dienstboten- und Ratgeberrollen, aber Alexis Wagner (Achillas) und Carlos Andueza (Curio) sorgten mit Bühnenpräsenz und Spiellaune dafür, dass sie nicht unbemerkt blieben. Ein vorzügliches Sängerensemble also. Aber wer Barockmusik sagt, denkt heute unwillkürlich auch an die alten Instrumente der historischen Aufführungspraxis, die einem modernen Theaterorchester nicht unbedingt zur Verfügung stehen. Dennoch gelang den Musikern des Pfalztheaters eine durchweg überzeugende, an den neuen Erkenntnissen über den damaligen Klang orientierte Interpretation. Siegmund Weinmeister führte Musiker wie Sänger mit viel Impetus und Stilsicherheit vom Cembalo aus durch die Partitur. In Kaiserslautern sorgten der Trierer Intendant Heinz Lukas-Kindermann und seine Ausstatterin Susanne Thaler dafür, dass dreieinviertel Stunden lang in dieser Händel-Oper keine Sekunde Langeweile aufkam. Nicht nur die Solisten, sondern auch Mitglieder des von Ulrich Nolte bestens einstudierten Chors entwickelten sich unter seiner stimmigen, einfallsreichen Personenregie zu Charakterdarstellern. Daneben gab es - für Barocktheater geradezu selbstverständlich - viel Bühnenzauber, mitunter auf mehreren Ebenen und mit verblüffenden perspektivischen Wirkungen, alles entwickelt aus der Anfangsidee, den Figuren im Antikenmuseum Leben einzuhauchen. Und wenn am Ende der Tod des Pompejus gerächt, der Tyrann ermordet und das Liebespaar vereint ist, kehren die Helden und Heldinnen der Vergangenheit, wenn auch widerspenstig und mit einem augenzwinkernden Verweis auf später ebenfalls in Männerkleidung singende weibliche Rosenkavaliere, auf ihre Podeste zurück. Kaiserslauterns erster "Julius Cäsar": ein Glücksfall für das Theater, für Liebhaber der Barockoper und für solche, die es erst werden. Weitere Aufführungen 13., 27., 29. Februar, Karten-Tel.: 0631/3675-209.

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