Kämpfer ohne Truppen und Stab

GENF/TRIER. Weltweit werden viele um ihn trauern: Peter Ustinov, Schauspieler, Autor, Regisseur, Komödiant, Botschafter, Menschenrechtler, Kinderfreund - eine Stimme der Vernunft, die künftig fehlt. Auch die Trierer haben besondere Erinnerungen an den Künstler, der 1998 half, die Antikenfestspiele aus der Taufe zu heben.

Das Bild wird denen, die es miterlebt haben, ewig unvergesslich bleiben. Es war ein unerwartet stürmischer Juli-Tag, und die Aufführung von Richard Strauss' "Des Esels Schatten" im Rahmen der ersten Trierer Antikenfestspiele drohte vor der Porta Nigra im Regen unterzugehen. Das Orchester hatte sich samt Instrumenten längst verflüchtigt, nur ein einsamer Pianist unter einem großen, einsturzbedrohten Sonnenschirm hielt eisern durch. Und der alte Mann, der oben auf der Bühne saß, notdürftig vor dem prasselnden Landregen geschützt durch einen kleinen Paraplü, den wechselnde Komparsen meist vergeblich über seinen weißhaarigen Kopf hielten.Lebenskünstler und disziplinierter Arbeiter

Aber Sir Peter Ustinov brachte seine Erzählung, eine Parabel über menschliche Dummheit, unbeirrt zu Ende, mit jener freundlichen Beharrlichkeit, die ihn auch als Unicef-Botschafter, Kultur-Plauderer oder Hochschul-Rektor auszeichnete. Hinter dem Bohémien und Lebenskünstler, der allem eine Pointe abgewinnen konnte, versteckte sich ein disziplinierter, eisenharter Arbeiter, der sich auch in späten Lebensjahren ein enormes Pensum zumutete. Sir Peter starb in der Nacht zum Montag kurz vor seinem 83. Geburtstag in einer Klinik in der Nähe von Genf, wo er seit Jahrzehnten gelebt hatte. Nachdem sich der Künstler zuletzt nur noch im Rollstuhl fortbewegen konnte, musste er die letzten beiden Monate in der Klinik verbringen. Öffentliche Auftritte wurden abgesagt. Nach Angaben eines Freundes führten die Herzprobleme und die Folgen der Zuckerkrankheit schließlich zum Tod. Ein Kosmopolit war er quasi von Geburt an. Zwar wuchs Peter Ustinov in England auf, doch mit einem deutschen Pass. Er sei in St. Petersburg gezeugt, in London geboren und in Schwäbisch Gmünd getauft worden, sagte er einmal. Der Vater war Presseattaché der Deutschen Botschaft in London. Der rundliche Peter wurde von seinen Mitschülern oft gehänselt. "Ich rettete mich, indem ich die Lehrer nachmachte und dadurch die anderen zum Lachen brachte." Die Pflege dieses Talentes ebnete ihm den Weg in die Schauspielerei. In Hollywood-Sandalenfilmen brillierte er als linkisch-verrückter Kaiser Nero in "Quo Vadis" (1952) und sadistischer Gladiatoren-Schinder Lentulus Battiatus in "Spartacus" (1959), wofür er einen seiner beiden Oscars bekam. Was ihn nicht davon abhielt, ein distanziertes Verhältnis zum Genre der Antiken-Klamotte zu pflegen. Er wisse "gar nicht mehr so recht, warum ich die überhaupt gedreht habe", sagte er 1998 im Volksfreund -Interview. Und auch seine zweite große Identifikationsfigur, den Agatha-Christie-Detektiv Hercule Poirot mochte er, wie er bekannte, nicht besonders. Da wollte er schon lieber als begnadeter Conferencier in Erinnerung bleiben, als Imitator und Kommentator, als Lieferant knapper Pointen und kluger Aphorismen. Die konnte er nach Belieben in Gespräche und Reden einstreuen, in seinen späten Tagen oft mit einem Anflug von Selbstironie. Mehr als jeder andere Künstler seiner Zeit war er ein ernsthafter Gesprächspartner für Politiker von Kofi Annan über Gorbatschow bis Mandela. Seine behutsamen Plädoyers für Ausgleich und Vernunft wurden in den letzten Jahren freilich immer leiser, vielleicht eine stille Reaktion auf den herrschenden Trend zur gewaltsamen Lösung von Konflikten.Keine Lust, selbst Politiker zu werden

Selbst hätte er nie ein Politiker sein mögen, bekannte er seinerzeit im TV- Gespräch: "Es ist mir zu anstrengend, immer Recht zu haben, und ich habe auch nicht immer Recht. Aber als Politiker würde mich das genieren." Seine eigene Rolle in der Öffentlichkeit spielte er stets herunter. "Ich bin doch nur ein Kommentator, ich habe keine Truppen und keinen Generalstab." So hielt er es bis zum Schluss. Ein kleines Sekretariat koordinierte seine Termine, ein guter Freund begleitete ihn auf seinen Reisen. Auch zum Sterben hatte Sir Peter Ustinov ein Bonmot parat: "Ich bedauere, dass das Leben sehr kurz ist. Aber es wäre scheußlich, wenn es viel zu lang wäre."

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