Kaiserthermen aus Marzipan

TRIER. (mar) "Es war unterhaltsam." Das Publikum der zweiten Premiere der Antikenfestspiele ist zufrieden. Triers Schlagerstar Guildo Horn als Menelaus, Gatte der "Schönen Helena", erntet ungeteiltes Lob.

Irgendwie sind alle froh, dass dieser Abend in den Kaiserthermen so glimpflich abgegangen ist. Noch am Mittag hat es wie aus Kübeln geschüttet. Die Gespräche übers Wetter, gefühlte Temperaturen und die Open-air-Ausstattung gehen beim Festspiel-Empfang im Zelt noch ein wenig weiter. Spätestens dort bestätigt sich, dass Intendant Heinz Lukas-Kindermann nicht da ist. Sonst hätte er wie immer vor, während und nach der Aufführung rührig nach dem Rechten gesehen. An diesem Abend läuft er vermutlich im bayrischen Andechs auf Hochtouren. Dort sollte tags darauf die Premiere seiner Antigonae sein. Schade, das ist schlechtes Timing. Er fehlt. Seine Reden sind legendär. Überdies hätte er nicht versäumt, wie immer die Darsteller zu begrüßen. In einer Ecke des Zeltes wird einmal kurz applaudiert. Die schöne Helena Anette Johansson oder einer ihrer göttlichen Begleiter muss eingetroffen sein.

Stattdessen liest ein zufriedener Kulturdezernent Ulrich Holkenbrinck nur die Liste der Sponsoren herunter und erspart allen weitere Worte. Die Götter mischen sich unters Volk. Sänger und Mundart-Vertreter Helmut Leiendecker (Ajax II) unterhält sich mit Triers Oberbürgermeister Helmut Schröer. Paris René Rumpold wird von einem Trierer Fernsehteam interviewt. Anette Johansson wirkt ohne die üppige Helena-Schminke viel jünger. Guildo Horn trägt wieder sein gewohntes Outfit. Er hat ein Heimspiel, unterhält sich hier und umarmt dort. Sein Menelaus, tatterig, trottelig, wie es sich für einen gehörnten Ehemann gehört, erntet allseits große Anerkennung. Auch bei Triers Ex-Kulturdezernenten Jürgen Grabbe. "Kurzweilig und unterhaltsam wars", sagt er, "Offenbach eben". Kein Tiefgang aber durchaus okay. Die kleine Gruppe um ihn herum nickt zustimmend. Ja, es hätte in der zweiten Hälfte etwas gestrafft werden können. Die kleinen Schönheitsfehler kämen wohl daher, weil es die erste durchgespielte Aufführung war, spricht sich derweil herum. Die Generalprobe sei von einem Regenguss unterbrochen worden. Die Dialoge erinnerten manchmal ein wenig an Volkstheater und seien alles andere als spritzig, bemerkten einige. Auch für OB Schröer ist es ein sehr unterhaltsamer Abend gewesen. ",Orpheus in der Unterwelt‘ ist sicher das stärkere Stück", räumt er ein. Vor zwei Jahren sorgte diese Offenbach-Operette bei den Antikenfestspielen für Furore und überregionales Medieninteresse: Guildo Horns damaliger Auftritt rief noch diejenigen auf den Plan, die immer den kulturellen Niedergang befürchten. Mittlerweile sind alle dankbar, wenn sie mal von der allgemeinen Niedergangs-Stimmung abgelenkt werden. Lukas-Kindermann wäre nicht Lukas-Kindermann, wenn er nicht an sich erinnern würde: Die Kaiserthermen aus Marzipan werden herein getragen. Der abwesende Intendant lässt von seinem Musikdramaturgen Christoph Rath überbringen, die Torte sei für Regisseur Wolfgang Quetes, ehemaliger Kaiserslauterer Intendant, der immer neidisch auf die Trierer Altertümer gewesen sei. Jetzt könne er sie symbolisch zerschneiden. Klatschen und Lachen. Alle erleben einen gemeinsamen Moment bei diesem Empfang und haben etwas zu gucken, als sich Quetes umringt von seinem gut gelaunten Ensemble mit dem Messer über die nachgiebigen Mauern hermacht. Irgendwann verlässt Rainer Brüderle, ehemaliger rheinland-pfälzischer Wirtschaftsminister und FDP-Mann in Berlin, freundlich nach allen Seiten grüßend das Zelt. Einige aus dem Helena-Ensemble feiern noch ein wenig.

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