Kampf um gutes Deutsch

Autor Walter Krämer stammt aus der Region Trier

Vielleicht steht auch in Ihrem Bücherregal ein Buch von ihm - mehr als 30 hat er geschrieben. Sein "Lexikon der populären Irrtümer" wurde weltweit über eine Million mal verkauft, in 16 Sprachen übersetzt und stand 78 Wochen auf der Spiegel-Bestseller-Liste. Die Rede ist von Walter Krämer, einem gebürtigen Eifeler. "Das war ein richtiger Held", sagt Walter Krämer voller Ehrfurcht über seinen ehemaligen Volksschullehrer Römpler aus Winterscheid. "Die Schüler aus acht verschiedenen Klassen hat er in einem einzigen Raum unterrichtet, und wir haben alle was gelernt. So was wäre heute wohl kaum denkbar." Ganze fünf Jahre ging Krämer, 1948 geboren in Ormont (Kreis Daun), in die kleine Volksschule Winterscheid bei Bleialf, bis er für ein Jahr das "Regino-Gymnasium" in Prüm besuchte, dann zog die Familie nach Mainz. Sein Vater war Zollbeamter an der belgischen Grenze und wurde in die Landeshauptstadt versetzt. So lügt man mit Statistik

Dort studierte Krämer ab 1969 Mathematik und Wirtschaftswissenschaften. Zehn Jahre später folgte die Promotion zum Dr. rer. pol. Seit 1988 arbeitet er als ordentlicher Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Universität in Dortmund. Von 1980 an veröffentlichte er regelmäßig Bücher, die sich mit Statistik und volkswirtschaftlichen Themen wie den Problemen des Gesundheitssystems beschäftigten. 1991 schrieb er seinen ersten Verkaufsschlager: "So lügt man mit Statistik", von dem bis heute 100 000 Stück verkauft wurden. 1996 erscheint dann das "Lexikon der populären Irrtümer". Ein Buch, das mit seinem Beruf als Statistiker scheinbar überhaupt nichts zu tun hat. Es deckt Irrtümer auf. So zum Beispiel, dass Schokolade süchtig macht, eine hohe Staatsverschuldung der Wirtschaft schadet oder der gefoulte Fußballspieler nicht das anschließende Tor schießen soll. Alles falsch, schreibt er in seinem Buch und liefert, oft mit Hilfe der Statistik, die Beweise. "Schon als Student habe ich mich für solche Irrtümer interessiert und sie gesammelt", sagt er. Am meisten hat ihn die Behauptung gefuchst, dass Raucher die Sozialkassen viel Geld kosten. "Zumindest die Rentenversicherung spart jährlich rund 20 Milliarden Euro durch den früheren Tod der Raucher." Trotzdem hält sich die umgekehrte Meinung hartnäckig. In mehr als 16 Sprachen wurde sein Buch übersetzt. Da müsste er doch eigentlich Millionär sein? "Ich war damals blauäugig und habe einen für mich ungünstigen Vertrag abgeschlossen. Von den Lizenzauflagen in den anderen Ländern erhalte ich nur ein so genanntes Anerkennungshonorar. Für die japanische Ausgabe gab's beispielsweise nur rund 100 Euro." Immerhin reichte das Gesamthonorar für die Teilfinanzierung eines schönen Eigenheims. 1997 gründete Krämer den "Verein Deutsche Sprache", der mittlerweile mehr als 24 000 Mitglieder hat. Der Verein setzt sich für die Erhaltung und die Pflege der deutschen Sprache ein. So genanntes "Denglisch", eine Mischung aus Deutsch und Englisch bekämpft man besonders. Prominente, die dagegen verstoßen, werden jährlich als "Sprachpanscher des Jahres" abgewatscht. Preisträger im vergangenen Jahr war der ZDF-Intendant Markus Schächter. Die Vereinsmitglieder waren der Meinung, dass zu viele Sendungen im ZDF unnötige Anglizismen im Namen enthielten. Aber wie um Himmels Willen kommt ein Statistikprofessor dazu, einen solchen Verein zu gründen? "Auf meinen Auslandsreisen ist mir immer wieder aufgefallen, wie achtlos man in Deutschland mit der Muttersprache umgeht. Auf einem Flughafen in Spanien ist mir ein Werbeplakat von Siemens in spanischer Sprache aufgefallen. Als ich in Deutschland landete, sah ich das gleiche Plakat in englischer Sprache." Daraufhin hat sich Krämer schlau gemacht und erfahren, dass Siemens mit dem Plakat in den meisten Ländern in der jeweiligen Muttersprache wirbt, nur in Deutschland war die Sprache Englisch. "Warum behandeln die uns als Kolonialvolk der Amerikaner?" Die greuslichsten Beispiele listet er in seinem Lexikon "Modern Talking auf deutsch" auf. Weil Krämer so sehr gegen Irrtümer und gegen Sprachpanscher schreibt, hat ihn "Die Zeit" einmal als "Prof. Besserwisser" bezeichnet, was der Betroffene selbst sehr ungeschickt findet. "Ich mach mir keinen Spaß daraus, Menschen auf ihre Fehler aufmerksam zu machen", sagt er und fügt hinzu: "Ich sammle nur Irrtümer und veröffentliche sie. Den Besserwisser will ich damit nicht herauskehren." Zudem ist Krämer trotz seiner vielen Bestseller bescheiden und bodenständig geblieben. Und mit der Popularität ist das so eine Sache. "Ich bin kein Medienstar", sagt er, "auf der Straße spricht mich niemand an. Denn im Gegensatz zu Dieter Bohlen, der mit seinem Schmuddelbuch von Interview zu Interview weitergereicht wurde, hielten sich die Fernsehauftritte von Krämer in Grenzen. An der Uni sah man seinen Erfolg mit gemischten Gefühlen: "Unter Wissenschaftlern wird es nicht immer gerne gesehen, wenn man sich aus dem Elfenbeinturm herauslehnt und populäre Bücher schreibt." Neuer Titel: "Falsche Propheten"

Zur Zeit arbeitet er an einem neuen Buch mit dem Arbeitstitel: "Falsche Propheten". "Von der Bibel bis heute stelle ich Propheten wie ,Marx', die ,fünf Wirtschaftsweisen' oder den ,Club of Rome' vor und zeige, dass sie mit ihren Vorhersagen meistens daneben lagen." Der Zeitpunkt der Veröffentlichung steht noch nicht fest. Wenn Krämer gerade nicht an der Uni Vorlesungen hält, ist er in der ganzen Welt unterwegs. Den Kontakt zur Eifel hat er dabei nie verloren. "In unregelmäßigen Abständen besuche ich meine Vettern und Cousinen in Ormont und Blankenheim." Außerdem ist er Mitglied im "Geschichtsverein Prümer Land" und damit sozusagen immer am Ball in Sachen Eifel, über die er selbst sagt: "Das ist meine Heimat". hpl/jölGernot Ludwig

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