"Kein Geld hatten wir schon immer"

Er hat vier Intendanten erlebt, drei Kulturdezernenten und Hundertschaften von Regisseuren und Ausstattern. Fast 17 Jahre war er Verwaltungsdirektor, Finanzjongleur, Ratgeber, Klagemauer, Prellbock - und für manchen sogar der heimliche Intendant. Jetzt geht Werner Reichert in den Ruhestand.

Trier. Mit "Rigoletto" hat alles angefangen. Als sein Vater den 13-jährigen Werner Reichert Anfang der 60er Jahre mit ins Bischof-Korum-Haus nahm, wo das Theater nach dem Krieg residierte, war die Leidenschaft für die Bühne geweckt. Praktiziert wurde sie freilich nur in Form von Besuchen in zahlreichen europäischen Opernhäusern - beruflich schlug Reichert die grundsolide Beamtenlaufbahn ein. Aber als man 1991 jemanden suchte, der als Verwaltungsdirektor beim Theater profunde Stellenplankenntnisse, solide Finanzwirtschaft und Fingerspitzengefühl für sensible Künstlerseelen gleichermaßen mitbringen sollte, schlug die Stunde des Kultur-Fans aus dem städtischen Hauptamt.Seither war er so etwas wie der Chef-Maschinist auf einer sich ewig drehenden Achterbahn. "Das Theater kann man nicht verwalten", sagt Reichert. Was er meint, ist: Da gibt es zu viele Verrückte, als das man einen normalen Behörden-Betrieb organisieren könnte.Und doch gab es auch ganz schnöde Erwartungen an den Leiter des Amtes 46, wie das Theater behördenamtlich heißt. "Sie haben alle Freiheiten, aber wenn Sie das Budget nicht einhalten, reiße ich Ihnen den Kopf ab", soll OB Schröer damals im kleinen Kreis gesagt haben. Kein Wunder, hatte das Theater doch jahrelang durch fröhliche Haushaltsüberschreitungen geglänzt. Reichert, der akribische Arbeiter, brachte das in Ordnung. Und doch legt er Wert auf die Feststellung, "dass die Haushalts-Einhaltung allein nie mein Credo war". Trotzdem dürfte er manchem Künstler als Pfennigfuchser erschienen sein. Aber die meisten Regisseure und Bühnenbildner, sagt Reichert lobend, hätten es "in Trier geschafft, aus sehr wenig Geld erstaunlich viel zu machen".Manchmal musste er auch die Reißleine ziehen. Vor allem in der wilden Ära des Schauspielchefs Jürgen Kloth, wo Ausstatter schon mal ernsthaft beantragten, den Theater-Innenraum in Gänze schwarz anzustreichen - aus künstlerischen Gründen, versteht sich. Dass es auch zum Ende der Amtszeit Lukas-Kindermann bisweilen stürmisch zwischen Intendant und Verwaltungs-Chef zuging, bestreitet Reichert nicht. Auch nicht, dass es Gespräche gab, nach deren Ende er prüfen musste, ob seine Bürotür noch in den Angeln war. Aber auf den Künstler und Theatermacher Kindermann lässt er nichts kommen. Vielleicht, weil der Österreicher wie Reichert vor allem das Musiktheater im Blick hatte. Von Produktionen wie dem "Rosenkavalier" oder "Tristan" schwärmt der 60-Jährige, dem Wagners "Walkürenritt" als Handy-Klingelton dient, noch heute. Und er ist sicher, "dass das Trierer Theater im Kern immer ein Opernhaus war".Die Antikenfestspiele hat Reichert maßgeblich mit aus dem Sumpf gezogen, als die defizitäre GmbH aufgelöst wurde. Dass manche Kulturpolitiker hohe Anforderungen an das Festival erheben, das dafür nötige Geld aber nicht zur Verfügung stellen, ärgert ihn heute wie damals. "Da fehlt einigen der Realitätssinn", kritisiert er knapp.Um die Zukunft des Theaters macht er sich keine Sorgen, wenn er am Dienstag offiziell verabschiedet wird. "Kein OB, kein Dezernent, kein Stadtrat wird sich vorwerfen lassen, diese Kultur-Institution plattgemacht zu haben". Das bezieht er auch auf eine Sparten-Schließung, "denn die wäre tödlich". Selbst das immer knapper werdende Budget kann Werner Reichert nicht schrecken: "Kein Geld hatten wir schon immer".

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