Keine Angst vor hohen Tönen

TRIER. Vor Eric Rieger steht ein besonderer Tag: Am Samstag singt der junge amerikanische Tenor die Traumrolle des "Nemorino" bei der Premiere von Donizettis komischer Oper "Der Liebestrank" im Theater Trier.

 Allseits beliebt: "Nemorino" Eric Rieger mit Evelyn Czesla (links) und Anette Johansson, die sich als "Adina" abwechseln. Foto: Friedemann Vetter

Allseits beliebt: "Nemorino" Eric Rieger mit Evelyn Czesla (links) und Anette Johansson, die sich als "Adina" abwechseln. Foto: Friedemann Vetter

Der graue Schal ist obligatorisch an nasskalten Tagen wie diesen. Zumal Eric Rieger drei Tage vor einer Premiere lieber mit dem Fahrrad zum Dienst fährt als mit dem Stadtbus - der Ansteckungsgefahr wegen. Aber sonst ist der 29-Jährige beim besten Willen keine Mimose: Er redet, scherzt, lacht, wo manche Kollegen sich längst aufs stimmbandschonende Flüstern beschränken würden. Dabei wird er eine höchst intakte Stimme brauchen, wenn er sie am Samstag dem Bauernburschen Nemorino leiht, der so gerne die wohlhabende Adina heiraten möchte und deshalb beim alten Gauner Dulcamara sein letztes Geld für einen vermeintlichen Zaubertrank hinblättert. Natürlich kann der Trank nicht zaubern, natürlich bekommt Nemorino nach vielen Wirren trotzdem seine Angebetete, weshalb er mit "Una furtiva lagrima" dankbar eine der berühmesten Opern-Arien schlechthin anstimmt. Die Rolle ist anspruchsvoll, nicht nur, weil sie Luciano Pavarotti einst berühmt machte. "Man ist pausenlos im Geschehen", sagt Rieger, eine Frage der stimmlichen Kondition, nicht so sehr der Spitzentöne. Andere Donizetti-Opern wie die "Regimentstochter", die er demnächst in Kaiserslautern in Angriff nimmt, verlangen eine Flut von hohen C's - was dem wagemutigen Amerikaner weniger Sorgen bereitet als die kraftraubende Mittellage. Darin ist er ein typischer Tenor - aber nur darin. Ansonsten will keines der berühmten Tenor-Klischees auf den sympathischen Sänger mit dem Jungen-Gesicht passen: Er ist intelligent, stellt sich nicht selbst in den Mittelpunkt, nimmt seine Rollen ernst und liebt auch die darstellerische Seite seines Jobs. Dass die Artisten vom hohen C nicht überall den besten Ruf genießen, weiß er auch, nimmt aber die Kollegen in Schutz: Schließlich hätten sie es nicht leicht, ganz da oben in lichter Stimm-Höhe, ohne Netz und doppelten Boden. Dass sich Eric Rieger einmal dort tummeln würde, hätte ihm in seiner Jugend in Pittsburgh/Pennsylvania niemand vorausgesagt. In seiner Familie habe keiner was mit Musik am Hut gehabt, erzählt er, und dass er seine erste Oper erst mit 16 erlebte. Das war Mozarts "Così fan tutte", und die Wirkung muss überwältigend gewesen sein. Bis heute sind Mozarts Opern eines seiner Lieblings-Betätigungsfelder, neben Rossini und Donizetti. Den "Tamino" aus der Zauberflöte würde er gerne ins Repertoire nehmen, später vielleicht die eine oder andere französische Rolle und die "leichteren" Verdi-Partien, wie seine großen Vorbilder Alfredo Kraus und Nicolai Gedda. Aber mit aller Macht in das schwergewichtige Fach drängen will er nicht. Lieber seine Energie darauf konzentrieren, die interessanten Charaktere bei den lyrischen Rollen herauszuarbeiten. Dabei schaut und hört er im Vorfeld schon mal gerne, was andere Sänger aus "seinen" Figuren machen. Und dann kommt der Regisseur ins Spiel, der wiederum eigene Vorstellungen mitbringt. "Ich probiere alles aus", versichert Rieger, lässt aber durchblicken, dass es nicht unbedingt ein Kopfstand vor der Arie sein muss.Gute Aussprache ist ihm wichtig

All das erzählt er in exzellentem Deutsch, das er sich während des Studiums in den USA, Schottland und der Schweiz angeeignet und in Trier ziemlich perfektioniert hat. Präzise Aussprache sei "eine der wichtigsten Sachen beim Singen", sagt er - die in dieser Hinsicht nicht immer verwöhnten Zuschauer wissen es zu danken. Kein Wunder also, dass der stets adrett frisierte, freundliche, umgängliche, gut gelaunte Sänger allseits geschätzt wird. Ob er den Begriff "Schwiegermamas Liebling" kenne? Da lacht Eric Rieger. Dieses Thema ist für ihn längst keines mehr. Schließlich erwartet er mit seiner Ehefrau, einer Geigerin, im Januar zum ersten Mal Nachwuchs.

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