Keine Musik zum Einlullen

Mit einem Konzert, das so gar nicht in das normale Schema der Festspiele passte, war das Mosel Musikfestival zu Gast in der Wittlicher Synagoge. Der Abend wurde ein Denkmal für ein Volk, das niemand haben will.

 Das Sannino Reinhardt Quintett spielt das Requiem für Kaza Kathárinna in der Wittlicher Synagoge. Unter anderem musizierten Grancino Reinhardt, Gino Roman und Sannino Reinhardt (von links). TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Das Sannino Reinhardt Quintett spielt das Requiem für Kaza Kathárinna in der Wittlicher Synagoge. Unter anderem musizierten Grancino Reinhardt, Gino Roman und Sannino Reinhardt (von links). TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Wittlich. Man kennt das Mosel Musikfestival als einen Ort der Fröhlichkeit, der guten und unterhaltenden Musik, des gesellschaftlichen Beisammenseins. Und dann das. Ein Konzert mit einem Requiem für eine Vertreterin der Sinti und Roma! "Requiem für Kaza Kathárinna" war der Abend in der Wittlicher Synagoge überschrieben und beinhaltete Texte von Anita Geigges und Musik von Gerhard Rosenfeld. Natürlich gibt es Totenmessen mit schöner Musik, von Mozart oder Brahms. Für Menschen, die einen kurzweilig-unterhaltsamen Abend erwarteten, war dieses Requiem jedoch eine Zumutung - aus gutem Grund. Es gab kein "In paradisum" und auch kein "Lux aeterna", mit dem die volle und unendlich weiche Altstimme von Christina Ascher, die technisch brillante Geigerin Jenny Abel oder die nicht weniger brillant agierende Harfenistin Alice Gilles ihr Publikum hätten einlullen können. Auch Hanna Linde als Rezitatorin hatte wenig Beruhigendes zu bieten. Schlagzeuger Christoph Czechs Part auf seinem fast schon martialischen Instrumentarium war ohnehin nicht dazu angetan, den Synagogenraum mit etwas "Schönem" zu füllen. Rund 90 Minuten ging das so. Schlagwerkdetonationen wechselten sich ab mit Violinmusik, die zwischen tonal und atonal angesiedelt war, selbst das himmlische Instrument des Königs David hatte etwas Aggressives.Erinnerung an Überlebende des Holocaust

Wie aber will man anders an einen Menschen erinnern, der sein Leben lang immer wieder erfahren hat, dass er anders ist als die anderen. Dass er zu einem Volk gehört, das man eigentlich bis heute hin nicht will. Ein Volk, dem man ein paar Zugeständnisse macht, die nichts kosten, das bisweilen seine Musik spielen darf. Auch diese von uns so geliebte Musik war durch das Sannino Reinhardt Quintett, in dem zwei Söhne des berühmten Schnuckenack Reinhardt mitspielen, vertreten.Kaza Kathárinna hat "Glück" gehabt. Sie hat die Vernichtungslager des Nazi-Regimes überlebt. Sie gehörte nicht zu den abertausenden Namenlosen, die ausgelöscht wurden, ohne dass sich jemand ihrer erinnert. Ihr Name steht stellvertretend für das ganze Volk der Sinti und Roma, über das vor dem Konzert Herbert Uerlings und Julia-Karin Patrut in einem Vortrag berichtet hatten. Symptomatisch ist der im Requiem oft vorkommende Satz: "Wir haben sie immer gesucht, die Gerechtigkeit", der dann vervollständigt wird mit "und haben sie nirgendwo gefunden." Über die Gestaltung der Musik mag man sich trefflich streiten. Der Inhalt des Werkes aber ist ein Spiegel, der unserer Gesellschaft vorgehalten wird. Diesen Spiegel müssen wir uns zumuten lassen. Es ist gut, dass das Mosel Musikfestival auch zu solchen Konzerten den Mut hat.

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