Kenntnisreich, kurzweilig, kritisch

Informativ und unterhaltsam: Die beiden USA-Fans, "Mr. Tagesthemen" Tom Buhrow und seine Frau Sabine Stamer, haben in Gerolstein rund 500 Gästen zahlreiche Facetten des amerikanischen Alltags näher gebracht und ihnen so ganz persönliche Eindrücke vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten vermittelt, die dem Außenstehenden ansonsten verwehrt bleiben.

Gerolstein. Die erste Veranstaltung des Eifel-Literatur-Festivals im Gerolsteiner Land, die Lesung mit Tagesthemen-Moderator Tom Buhrow und seiner Frau Sabine Stamer aus deren Buch "Mein Amerika - Dein Amerika" war eine der bislang stärksten des diesjährigen Festivals und demnach auch eine gelungene Premiere: Rund 500 Gäste drängten sich in die voll besetzte Stadthalle, was zweifelsohne einerseits auf die Prominenz von Tom Buhrow als "Mr. Tagesthemen" zurückzuführen war, andererseits auf die weltpolitische Bedeutung der aktuellen amerikanischen Innen- und Außenpolitik. Und so beantwortete Buhrow im Anschluss an die mehr als zweistündige Lesung die zentrale Frage des Abends, wer neuer Präsident der USA werde, auch ohne Umschweife: "Wir glauben beide, es wird Obama, denn er symbolisiert den erhofften Wandel. Wir sind uns aber auch sicher: Es wird knapp."

Jedoch: Es ging dem Autoren-Duo nicht um eine politische Analyse der Weltmacht, sondern um ihre ganz persönlichen Eindrücke, die sie während ihres mehr als zehnjährigen Aufenthalts in den USA sammelten, wo auch ihre beiden Töchter geboren wurden und aufwuchsen. Und gerade das machte die Veranstaltung so interessant und spannend. "Wir wollten in unserem Buch die Alltagskultur aus der Mitte der Gesellschaft schildern", sagte Buhrow und fügte hinzu, "schließlich erwächst daraus die politische Kultur." Also doch nicht ganz ohne Politik. Aber von unten.

Dass es nicht zu politisch-analytisch, also trocken, wurde, dafür sorgte im Buch wie bei der Lesung Sabine Stamer, selbst Journalistin und Autorin, aber eben auch Mutter. Wenn es aus ihrer Sicht sein musste - und das kam hin und wieder vor - dann fiel sie ihrem Mann ins Wort, rückte hier und da gerade und gab so nicht nur intime Einblicke in den amerikanischen Alltag, sondern auch in die häusliche Hierarchie der Familie Buhrow-Stamer. Sehr zur Erheiterung des Publikums. So als ihr Gatte die Vorteile des amerikanischen Pragmatimus' im Gegensatz zur deutschen Regelungswut am Beispiel seines Hobbys Segeln zu veranschaulichen versuchte: "In den Staaten hatte ich nach zwei Tagen mit ein wenig Theorie und überwiegend Praxis meinen Schein in der Tasche, in Deutschland musste ich zwei Wochen pauken, um überhaupt ein Boot betreten zu dürfen." Ihr Zusatz: "Deshalb sind wir auch in der einzigen Schilfzone gelandet, die es dort gab."

Sein kapitulierender Kommentar nach mehreren Wortgefechten dieser Art: "Ist die frech!" Nein, gut!

Überhaupt gelang es dem "gemischten Doppel", so Festival-Organisator Josef Zierden, auf diese erfrischend natürliche Art hervorragend, das Publikum in seinen Bann zu ziehen und glänzend zu unterhalten: kenntnisreich, kurzweilig, aber auch durchaus kritisch-distanziert. Vor allem die amerikanische Prüderie, die soziale Ungerechtigkeit (besonders zwischen Schwarz und Weiß) und die laxen Waffengesetze blieben nicht unkommentiert. Auf die Frage, ob das Leben in den USA gefährlicher sei als in Europa, sagte Stamer: "Wenn man sich nicht in den kritischen Vierteln aufhält, ist es in etwa so wie in den europäischen Großstädten. Aber: Dort geschieht auch schon ein kleiner Handtaschendiebstahl mit vorgehaltener Waffe." Sie beschrieb die Gefährdung so: "Junge Schwarze erschießen junge Schwarze."

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