Kindergeschichte(n)

Mama hat fürs Wochenende Karten für ein Konzert mit einem sogenannten Stargeiger gekauft. Als Papa hört, was die Karten gekostet haben, flippt er aus.

"Unglaublich", brüllt er, "für den Mann so viel Geld auszugeben. Was der macht, ist keine Musik, das ist eine Zirkusnummer." Papa spielt selbst Geige in einem kleinen Orchester. Mama ist sauer: "Der Mann ist ein Virtuose", sagt sie kühl. "Du bist nur neidisch, weil du nicht so gut Geige spielst." Und dann knallt sie die Tür hinter sich zu. "Was ist denn ein Virtuose?", fragt Paul. "Hat das was mit Musik zu tun?" Ja, das hat es. Virtuosen sind Musiker, die auf ihren Instrumenten richtige Kunststücke machen. Es gibt zum Beispiel Geigenvirtuosen, die regelrecht mit ihrem Bogen auf der Seite balancieren oder so schnell spielen, dass einem ganz schwindelig wird. Andere Virtuosen rasen mit ihren Finger über das Klavier, als ob sie auf dem Nürburgring wären. Einer der berühmtesten Geigenvirtuosen war Niccolò Paganini vor gut 200 Jahren. Der spielte so schnell, dass die Leute dachten, so etwas könne nicht mit rechten Dingen zugehen. Sie glaubten, er hätte seine Seele dem Teufel verkauft und nannten ihn deshalb den "Teufelsgeiger". Ein berühmter Klaviervirtuose war der Komponist Franz Liszt. Wenn er vor 150 Jahren spielte, fielen die Damen in Ohnmacht. Zugegeben: Virtuosen haben was. Wenn jemand auf der Geige Achterbahn fährt, ist das Wahnsinn. Die ganze Musik ist das aber noch lange nicht. Dazu gehört viel mehr. Ein guter Musiker muss durch sein Spiel den Hörern auch deutlich machen, was in der Musik an Gefühl und Verstand steckt, welche Farben die unterschiedlichen Klänge haben. Das ist viel wichtiger, als vorzuführen, wie rasant man spielen kann.Eva-Maria Reuther

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