Kino-Gespräch: 30 Jahre „Dirty Dancing“: „Ich habe eine Wassermelone getragen“

Trier · Am Sonntag vor 30 Jahren startete „Dirty Dancing“ in den deutschen Kinos, abends läuft er deshalb im Trierer Cinemaxx. Kult oder Kitsch? Zwei Journalisten streiten.

Lisa Bergmann: Ich habe eine Wassermelone getragen.

Jörg Pistorius: Lisa, ich glaube nicht, dass du eine Wassermelone getragen hast. Ich glaube, du bringst hier einfach nur das geistloseste von vielen "Dirty Dancing"-Zitaten.

Bergmann: Natürlich schleppe ich kein Obst durch die Gegend. Aber dieser Satz ist wahrscheinlich eines der berühmtesten Film-Zitate. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand nicht wusste, worum es geht, als ich das gesagt habe.

Pistorius: Den Bekanntheitsgrad von Dirty Dancing kann ich nicht bestreiten. 30 Jahre ist der Streifen jetzt alt, und trotzdem kennt ihn jedes Kind. Das hängt aber auf keinen Fall mit der Qualität seiner Zitate zusammen. Oder seines Drehbuchs. Oder seiner Darsteller.

Bergmann: Als der Film rauskam, war ich gerade mal ein paar Monate alt. Bis heute gucke ich ihn gern, wie viele meiner (weiblichen) Altersgenossen auch. So furchtbar schlecht kann er also gar nicht sein. Oder was genau stört dich so an Drehbuch, Darstellern und Zitaten?

Pistorius: Ich habe damals den Start des Hypes um Dirty Dancing als Teenie live miterlebt. Und klar habe ich mir gesagt: Mann, es liegt doch wohl eher an dir, dass dir diese Geschichte nicht gefällt. Aber dann ging ich mal pragmatisch an die Sache ran und stellte fest: An diesem Film stimmt wirklich nichts.

Bergmann: Zugegeben, die Story ist wirklich nicht besonders einfallsreich. Aber es ist doch ein bisschen wie im Porno, da geht es ja auch nicht um große Charaktertiefe.

Pistorius: Ok, wenn du hier schon mit Pornos argumentierst: Es gibt keine Chemie zwischen den Hauptdarstellern Patrick Swayze und Jennifer Grey. Sie könnten ebenso gut Pornodarsteller sein.

Bergmann: Chemie ist überbewertet. Wenigstens in den Dialogen. Aber wenn sie dann tanzen, was sie gefühlt drei Viertel der Zeit tun…

Pistorius: Ich habe in der Schule ein paar Tanzkurse gemacht. Einer Tradition auf den Abschlussbällen folgend habe ich auch mit meiner Mutter getanzt. Wenn ich Swayze und Grey so sehe, erinnert mich das stark an diesen Abschlussball. Es gibt eine brauchbare Tanzszene in diesem Film, und die kommt ganz am Anfang kurz nach deiner Wassermelone.

Bergmann: Lass mich raten, da tanzt Grey noch nicht mit.

Pistorius: Nein, sie starrt ungläubig in die Gegend. Extrem sexy.

Bergmann: Hast du gewusst, dass Grey vor Dirty Dancing noch nie getanzt hat? Hat sie jedenfalls in einem Interview mal behauptet. Ich als Nicht-Tänzer bin beeindruckt.

Pistorius: Noch nie getanzt, soso. Ich habe das nicht gewusst, glaube es aber sofort. Hatte Jennifer Grey eigentlich nach Dirty Dancing noch einen Hit in Hollywood?

Bergmann: Soweit ich weiß, nein. Es soll ja an der operierten Nase liegen. Woran auch sonst.

Pistorius: Die Nase? Das glaube ich nicht. Es war eher der absolute Mangel an Gefühl, Präsenz, Leidenschaft und Glaubwürdigkeit auf der Leinwand. Aber immerhin wurde Patrick Swayze ja zum Star und hat noch einige Filme gemacht. Kennst du "Ghost"?

Bergmann: Der hat dir gefallen?

Pistorius: Nein, ich wollte meinen Fernseher gegen die Wand kicken. Aber bleiben wir bei Dirty Dancing. Kannst du zwei Punkte benennen, die diesen Film zu einem guten Film machen?

Bergmann: Das Tanzen, logisch. Ich kann den Film nicht gucken, ohne dass es in den Beinen kribbelt und ich Lust bekomme, zu tanzen. Und auch wenn die Story so ihre Schwächen hat, immerhin steckt noch ein bisschen Sozialkritik mit drin.

Pistorius: Patrick Swayze als armer Tanzlehrer, Jennifer Grey als Tochter eines wohlhabenden Arztes. Das ist dann aber eher Sozialkritik für Dummys. Und alle Probleme werden am Ende mit einem Satz weggewischt: "Nobody puts Baby in a corner." In der deutschen Fassung mörderisch schlecht synchronisiert als "Mein Baby gehört zu mir, ist das klar?" Na klar ist das klar. Da sagt Big Daddy dann auch nichts mehr.

Bergmann: Wenigstens im Kino darf es doch auch mal einfach sein, darf man mal den Kopf ausschalten und hinterher glückselig lächelnd nach Hause gehen. Die Realität holt einen schneller ein, als man "Mein Baby gehört zu mir" sagen kann.

Pistorius: Ich wünsche dir morgen Abend viel Spaß im Kino. Ich schaue lieber "Alien".
Die Kontrahenten

 Jörg Pistorius

Jörg Pistorius

Foto: Klaus Kimmling
 Lisa Bergmann

Lisa Bergmann

Foto: Klaus Kimmling

Lisa Bergmann, 30, ist Volontärin und großer Fan des Films. Wie oft sie ihn schon gesehen hat, kann sie nicht mehr zählen.

Jörg Pistorius, 49, ist Redakteur und seit 30 Jahren entschlossener Kritiker eines der seiner Ansicht nach rätselhaftesten Filmerfolge aller Zeiten.

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