Kiss me Kate - und sei gefügig!
Luxemburg · Tom Leick-Burns, Intendant des Luxemburger Grand Théâtre, ist ein Fan angelsächsischen Theaterschaffens. Eröffnete er die vergangene Spielzeit mit einer Produktion von Gilbert & Sullivans "Pirates of Penzance", setzt er jetzt über den Großen Teich und holt einen Broadway-Evergreen zum Saisonstart ans Haus: Cole Porters "Kiss me Kate".
Luxemburg. Der Komponist fand's zu riskant. Shakespeare, argumentierte Cole Porter, sei doch viel zu esoterisch, um am Broadway erfolgreich zu sein. Und er verwies auf die zahlreichen Inszenierungen der Dramen und Komödien des englischen Barden, die gerade einmal zwei oder drei Wochen auf den Bühnen rund um den Times Square überlebten.
Doch die Drehbuchautorin Bella Spewack, die zusammen mit ihrem Mann Sam aus "Der Widerspenstigen Zähmung" ein Musical-Libretto gezimmert hatte, ließ nicht locker: Porter solle sich bloß nicht vom Namen Shakespeare einschüchtern lassen. Die Komödie sei doch im Prinzip nichts anderes als die Schnurren, die in den jiddischen Theatern an Manhattans Second Avenue stets vor ausverkauften Häusern liefen: Jüngere Tochter darf erst heiraten, wenn die ältere unter der Haube ist. Damit hatte Spewack den Plot des Stücks mit genau einem Dutzend Wörter zusammengefasst, Shakespeare irgendwie vom Sockel geholt - und den zögerlichen Komponisten überzeugt. Womit die Probleme allerdings noch nicht vom Tisch waren: Jetzt blockierten nämlich die Produzenten. Porter habe schon seit Jahren keinen wirklichen Hit mehr geschrieben, argumentierten sie. Sein letzter Erfolg, "Anything Goes", lag schon 14 Jahre zurück. Auf so einen unsicheren Kantonisten wollten sie lieber kein Geld verwetten. Zum Schluss hatten sie dann doch 72 (!) "Angels" - so hießen die Geldgeber damals - mit Engelszungen überredet, die nötigen 180 000 Dollar für die Produktion springen zu lassen, die im Dezember 1948 im New Yorker Century Theater Premiere hatte.
Da hatte Cole Porter aber schon längst Blut geleckt und, nachdem er das Libretto vom Ehepaar Spewack gründlich gelesen hatte, innerhalb von drei Monaten 25 Songs komponiert, von denen letztlich 17 in die Show genommen wurden. "Die Musik wird dir gefallen", schrieb er an einen Freund. "Sie ist so schlicht, dass man meinen könnte, ein Kind habe sie komponiert." Das war natürlich pure Koketterie - allerdings mit einem Körnchen Wahrheit. Im Gegensatz zu den Hits aus den 1930er Jahren, die zum "Great American Songbook" gehören und von Stars wie Frank Sinatra und Ella Fitzgerald geschätzt wurden - etwa "Night and Day", "I've got you under my skin" oder "I get a kick out of you" - sind die Songs aus "Kiss me Kate" weniger raffiniert, weniger ironisch, weniger zweideutig, kurz: weniger "sophisticated".
Was ihren Erfolg allerdings nicht beeinträchtigte: der Walzer "Wunderbar" etwa, die Theaterhymne "Premierenfieber - Another op'nin" oder die Reverenz an den Ideengeber "Schlag nach bei Shakespeare" sind auch längst Evergreens geworden. Und dass sie ein schwer kranker Mann geschrieben hat - Porter litt seit einem Reitunfall im Jahre 1937 an chronischen Schmerzen, so dass er für den Rest seines Lebens (er starb 1964 im Alter von 73 Jahren) von starken Medikamenten abhängig war -, merkt man den Liedern in keinem Takt an.
Der Kniff, den sich die Spewacks für ihr Musical ausgedacht hatten, war ebenso genial wie simpel: Zwar geht es im Grunde um "Der Widerspenstigen Zähmung", doch das Shakespeare-Stück steht nicht im Mittelpunkt, sondern die Querelen und Streitereien der beiden Hauptdarsteller; ein berühmtes Schauspielerpaar, das im wahren Leben längt geschieden ist, nun aber gemeinsam in eben jener Komödie auf der Bühne stehen muss. Der Knatsch in der Garderobe findet seinen Weg auf die Bühne, und so vermischen sich die Ebenen zwischen privaten Zänkereien und den anti-emanzipatorischen Zeilen von Shakespeare ("Ich bin beschämt, dass Frau'n so kindisch sind / Und Krieg erklären, wo man kniet um Frieden" muss ausgerechnet Lilly als gezähmte Katharina ihrem Ex-Mann Fred/Petruchio am Ende entgegensäuseln) zu einem doppelbödigen Spiel, dessen Klammer die Songs von Cole Porter sind. "Kiss me Kate" war übrigens sein einziges Musical, das es am Broadway auf eine Laufzeit von rund drei Jahren brachte - es war 1077 Mal en suite zu sehen.
Die Luxemburger Aufführung ist eine Gemeinschaftsproduktion des Théâtre du Châtelet in Paris mit den Théâtres de la Ville de Luxembourg. David Charles Abell dirigiert das Orchestre Philharmonique du Luxembourg. Die Regie führt Lee Blakeley. Die Aufführung ist auf Englisch mit deutschen und französischen Untertiteln. Premiere ist am Samstag, 15. Oktober, 20 Uhr.
Karten gibt es unter Telefon 00352/4708951.