Klare Sprache, heikle Inhalte

Trier · Im Theater Trier stellte sich Dirigent Daniel Carter im Sondersinfoniekonzert als Bewerber für das Amt des Generalmusikdirektors vor.

Trier Die Sympathien flogen ihm zu. Als Daniel Carter den letzten Akkord von Bizets C-Dur-Sinfonie abschlug, rauschte im Trierer Theater unvermittelt der Beifall auf, durchsetzt von etlichen "Bravo"-Rufen. Auch die Trierer Philharmoniker zollten dem GMD-Bewerber im "Sondersinfoniekonzert" ihren Respekt.
Und wirklich: Dieses Sinfoniekonzert strahlte Eindeutigkeit und Entschiedenheit aus. In Mendelssohns "Athalia"-Ouvertüre entfaltete der einleitende "Maestoso con moto"- Block der Bläser einen charakteristischen, unverwechselbaren Klang, die Streicher im "Molto Allegro"-Hauptteil strahlten enorme Energie aus, und beim lyrischen Seitenthema balancierten Dirigent und Orchester sicher auf dem schmalen Grat zwischen Sentiment und Ausdrucksarmut.
Auch Schumanns Klavierkonzert profitierte von Carters dirigentischer Markanz. Immer wieder betonten Dirigent und Orchester die herrliche Prägnanz dieser Tonsprache. Und wie ein Kontrapunkt dazu kultivierte der gerade mal 19-jährige Franzose Nicolas Bourdoncle einen herrlich zwanglosen, fließenden Schumann-Klavierstil - allenfalls in Details wie dem ersten Final-Thema noch eine Spur schwerfällig. Gewiss ist dieser Klavierstil entwicklungsfähig - könnte an Tiefe, Rundung gewinnen -, aber die Anlagen dazu sind so offensichtlich, dass man Bourdoncle nur Glück für die Zukunft wünschen kann. Daniel Carters musikalische Sprache ist klar und eindeutig. Aber wie steht es mit den musikalischen Inhalten?
Gerade der bejubelte Abschluss mit Bizets C-Dur-Sinfonie wuchs sich aus zum Problemfall. Die (für dieses Werk) zu kleine Streicherbesetzung ging im überpräsenten Bläsersatz unter, die Violinen erreichten in den heiklen Sechzehnteln des Finales nur Näherungswerte, und vor allem Trompeten und Pauken stachen heraus aus dem Gesamtklang. Die Ursachen dafür verteilen sich zweifellos auf mehrere Schultern. Aber auch die Interpretation des Dirigenten bleibt fragwürdig. Carter vermittelt so gut wie nichts von der französischen Eleganz dieser Musik.
Bizets Geniestreich kommt irritierend deutsch, allzu deutsch daher. Auch bei Schumann bleiben inhaltliche Defizite. Viel zu selten gelingt Dirigent und Orchester der romantische Tonfall - das Nachdenkliche, Träumerische, Versponnene und dann wieder der euphorische Überschwang. Allzu oft geraten Bläser-Akzente überdeutlich, Klangfarben zu kräftig, zu grell, zu schattierungslos.
Und so plastisch Carter und das Orchester die teilweise krass divergierenden Themen in Mendelssohns Schauspiel-Ouvertüre auch ausformulierten - sie zwingend zu einer Einheit zu verbinden will nicht gelingen. Es bleibt der Eindruck von Zufall, von Beliebigkeit.
Daniel Carter ist zweifellos eine enorme dirigentische Begabung. Im Umgang mit musikalischer Substanz tun sich noch Defizite auf. Wobei - keine Frage - für die rund 550 Besucher die erstaunlich starke Ausstrahlung der jungen Dirigentenpersönlichkeit den Ausschlag gab.

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