Klassik trifft Kabarett

Listiges und Hinterlistiges aus dem Bereich der Klassischen Musik lieferten die Bläser der HR-Brass und der Kabarettist Lars Reichow beim "Classic-Open-Air" des Mosel-Musikfestivals im Innenhof des Kurfürstlichen Palais. Nicht einmal Geräusch-Wogen vom "Ganz-in-Weiß"-Festival im Palastgarten konnten das Vergnügen ernsthaft trüben.

 Lars Reichow führte auf humorvolle Weise durch das Programm. TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Lars Reichow führte auf humorvolle Weise durch das Programm. TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Trier. Klassische Live-Musik zwecks Steigerung der Bekömmlichkeit mit einer Prise Ironie zu würzen, ist derzeit schwer en vogue. Loriot, Dieter Hildebrandt, Konrad Beikircher heißen die Giganten der Szene, und mit dem Mainzer Kabarettisten Lars Reichow hat sich ein hochgradig musik-kundiger Satiriker dazugesellt - war der gelernte Pianist doch einst Wagner-Stipendiat in Bayreuth.

Das merkt man seinen Kommentaren nicht immer an, manches steht unterhaltsam, aber etwas zusammenhanglos zwischen den Musikstücken der HR-Brass und wirkt wie die Reste-Verwertung seines aktuellen Kabarett-Programms. Doch die meisten seiner Pointen sitzen: Köstlich-gemein mobbt er die klassischen Instrumental-Gruppen eines Orchesters, wobei die Blechbläser logischerweise am besten wegkommen - freilich ohne dass anwesende Tubisten oder Trompeter auf Schonung rechnen dürfen. Mozart reizt Reichow zu sarkastischen Randnotizen zum Thema "Wunderkinder", und ein paar Lästereien mit lokalem Bezug hat er flott ins Programm eingebaut.

Angenehm, dass er nicht versucht, sich mit einer großen Show in den Vordergrund zu drängen.

Benötigt keine große Show



Das ist auch gar nicht nötig, weil die elf Herren in schwarz samt der einzigen Dame die eigentlichen Eulenspiegeleien allein aus ihren Instrumenten herausholen. Nicht nur, dass sie - nach rhythmisch leicht verwaschenem Start mit der Zauberflöten-Ouvertüre - Klassiker wie Bachs "Präludium und Fuge", Barbers "Adagio", Tschaikowskis "Nussknacker-Suite" oder Liszts "Grand Galop" ausgesprochen virtuos interpretieren. So richtig toll wird es immer, wenn sie zu raffinierten Täuschungsmanövern ansetzen, Titel neu zusammenmischen, Hehres und Populäres vermengen. Die Arrangements von Hans-Reiner Schmidt sind oft umwerfend komisch, aber immer auch musikalisch tragfähig.

Da lässt man den aus dem deutschen Schlagerwesen bekannten "lieben Hans mit dem Knie" schon mal triumphierend durch Verdis Aida marschieren oder bei Rossini in Sevilla barbieren. Mozarts besinnliches Klarinettenkonzert endet in Symbiose mit Ravels feurigem Bolero, Alexis Sorbas tanzt einen Elefanten-Can-Can im Karneval der Tiere, der fliegende Holländer segelt über die Moldau, James Bond trinkt beim Säbeltanz Kosakenkaffee und Hänschen Klein zieht in den Krieg der Sterne.

Irgendwann gibt man das Mitraten (War das jetzt noch Schostakowitsch oder schon eine Filmmelodie von Chaplin?) auf und hat einfach nur noch Spaß.

Den lassen sich auch die Musiker nicht verderben, trotz im Laufe des Abends stetig wachsender Lärm-Belästigung durch die Geräusch-Emissionen vom benachbarten "Ganz-in-Weiß"-Konzert auf der Palaestra, die sich unüberhörbar an den Zinnen des Palais brechen und in den Innenraum hinunterträufeln. Peinlich genug, dass sich solche Terminkollisionen in Trier offenbar nicht vermeiden lassen. Aber schlicht ärgerlich, dass, wenn die Überschneidung schon passiert, die Bühne am Palastgarten ausgerechnet direkt in Richtung Basilika ausgerichtet wird.

Trotzdem: Am Ende reichlich Beifall der 500 Zuschauer, die sich mit der Standard-Zugabe nicht zufriedengeben.

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