Klischees bleiben in der Kiste

TRIER. Bertolt Brechts Todestag jährte sich im August zum fünfzigsten Mal. Das Trierer Theater leistet seinen Jubiläumsbeitrag mit einer Produktion der "Dreigroschenoper", die am Sonntag Premiere feiert. Regisseur Thilo Voggenreiter soll den alten Theatergaul neu beschlagen.

"Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?", fagt Mackie Messer, der Obergangster in Brechts "Dreigroschenoper". Als das Bettler-Musical kürzlich in Berlin zur Wiedereröffnung des noblen "Admiralspalastes" in staatstragender Inszenierung zur Aufführung gebracht wurde, fungierte die Deutsche Bank als Hauptsponsor und lud zu einem Jugendkünstlerwettbewerb ein. Motto: "Pimp my Brecht"."Pimp my Brecht" mit der Deutschen Bank

Würde sich Bertolt Brecht, der Geißler aller Geldinstitute, im Grab umdrehen, wie Puristen vermuten? Wohl kaum, zumindest nicht, wenn Regisseur Thilo Voggenreiters Einschätzung stimmt. Die "Dreigroschenoper", sagt er, sei schon bei der Uraufführung 1928 eher Kommerz als Kreuzzug gewesen. "Haargenau auf Erfolg berechnet" von Brecht und seinem Komponisten Kurt Weill, mit "kulinarischen Nummern", wie gemacht zum Mitsingen fürs Publikum, das man möglichst massenhaft ins wiedereröffnete Theater am Berliner Schiffbauerdamm locken wollte.

Voggenreiter ist ein hoch gewachsener, hagerer Mann Mitte vierzig, mit einem Schritt-Tempo, bei dem man erstmal mithalten muss. Zuletzt hat er für Ibsens "Hedda Gabler" in Bregenz hymnische Kritiken erhalten, vor allem für die "psychologische Durchdringung der Figuren". Größer könnte das Kontrastprogramm jetzt kaum sein, mit Brechts charakterlichen Abziehbildern. Psychologisch sei die Dreigroschenoper ein "eher dünnes Brett", räumt er ein. Vielleicht ist es deshalb seine erste Inszenierung dieses Werks, sogar seine erste Brecht-Arbeit überhaupt.

Gesehen hat er das Werk in seinem Leben nur zwei Mal, weniger als der Durchschnitts-Theater-Abonnent, zu dessen Gaudium das beliebte Opus mindestens alle zehn Jahre durch die Spielpläne gejagt wird. Das mit dem Gaudium könnte sich freilich diesmal als Trugschluss erweisen. Voggenreiter will der "Dreigroschenoper" das Putzige und Operettenhafte austreiben, er sucht bei Mackie Messer, dem Haifisch, nach dem "Zahn, der noch beißt".

Leicht wird das nicht werden, angesichts der Patina gemütlichen Revoluzzertums, die das Werk fast erstickt. Die guten Armen und die bösen Reichen - das ist Voggenreiter "viel zu simpel", so einfach sei "die Welt eben nicht".

So erwartet das Trierer Publikum keine Bettler-Idylle in Soho, sondern ein stark reduziertes Bühnenbild, mit einer ständig rotierenden Drehbühne als Mittelpunkt, Sinnbild eines fast unentrinnbaren Kreislaufs. Statt greller Effekte setzt der Regisseur auf die Qualitäten des Trierer Schauspiel-Ensembles. Eine Inszenierung lasse sich nicht am Reißbrett planen, entscheidend sei, "was jeden Abend zwischen den Schauspielern entsteht".

Dabei geht es nicht nur um die Sprechtexte, sondern auch um die Songs, deren Vortragsstil seit den Zeiten der Uraufführung fast zur Parodie verkommen ist. "Weg vom Klischee" will der musikalische Leiter Franz Brochhagen, "weniger Pathos, mehr Schärfe und Ironie". Kein leichter Job, erlebt doch der Dirigent die "Dreigroschenoper" auch musikalisch als "Dampfer, der immer wieder in die gewohnte Fahrrinne zurück rutscht, wenn man nicht aufpasst". So sucht man nach neuen Routen, gemeinsam mit Akteuren wie Michael Ophelders (Mackie Messer), Sabine Brandauer (Frau Peachum) und Claudia Felix (Polly Peachum). Vielleicht schaut ja am Ende eine Inszenierung heraus, für die die Deutsche Bank nur ungern als Hauptsponsor aufgetreten wäre.

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