Koloss fordert Orchester heraus

Mut hat er, der neue Trierer Generalmusikdirektor. Auf das Programm des 4. Sinfoniekonzerts am 18. Dezember im Trierer Theater hat er Mahlers Erste gesetzt - eine Sinfonie, die dem Philharmonischen Orchester einiges abverlangt und nur mit einer Schar von Aushilfen zu bewältigen ist.

Trier. "Fordern und fördern" - wäre dieser Slogan nicht sozialpolitisch diskreditiert, Victor Puhl könnte ihn zum Leitsatz seiner Sinfoniekonzerte machen.

Der Trierer Generalmusikdirektor (GMD) hat getan, was seit Langem niemand wagte und Gustav Mahlers 1. Sinfonie aufs Programm des 4. Konzerts gesetzt. Angesichts dieses künstlerischen Hürdenlaufs verblassen sogar die übrigen Werke, die am 18. Dezember zu hören sein werden.

Das gilt für Arvo Pärts meditative Klangkomposition "Cantus", und Dieter Schnebels nostalgischer "Mahler-Moment" sind nur hörerfreundliche Miniaturen. Und es gilt sogar für Beethovens 4. Klavierkonzert mit der französischen Solistin Kim Barbier, der Puhl eine "exzellente Technik" bescheinigt.

Mahlers Erste ist ein Koloss. 50 Minuten betrug die Spieldauer unter Leitung des Komponisten, und mit vier Holzbläsern jeder Gattung (im Fachjargon: "vierfaches Holz"), sieben Hörnern, fünf Trompeten und vier Posaunen übersteigt die Besetzung die Größe der Trierer Philharmoniker bei weitem. Victor Puhl hat sich selbstverständlich die Originalfassung vorgenommen und nicht irgendeine reduzierte Version, und so müssen reichlich Aushilfen her. Die sollen im Zeichen der Städtepartnerschaft überwiegend aus Weimar kommen, wo bekanntlich ein exzellentes Orchester zuhause ist. Trotzdem bleibt Mahler ein Risiko - für die Orchestermusiker, die ihr ganzes technisches Können einsetzen müssen und ihre Anpassungsfähigkeit dazu, für das Publikum, das Mahler vielleicht in Luxemburg gewohnt ist, aber nicht in Trier, und auch für den Dirigenten, der sich kaum Zeit für Probenabsprachen nehmen kann, und sich ganz auf sein künstlerisches Sensorium, seine Ausstrahlung und nicht zuletzt seine Schlagtechnik verlassen muss.

"Einmal pro Spielzeit ist ein solches Werk sinnvoll", sagt Victor Puhl. Sinnvoll, weil die Ausführenden gefordert seien und ihre Kräfte konzentrierten - wie beim Spitzenspiel im Fußball. Und weil diese Konzentration auch die Musiker fördere und ihnen neue Erfahrungen und Selbsterfahrungen bringen könne. Eins ist klar: Spannend wird die Konfrontation mit Mahler auf jeden Fall.

Und das Theater? "Nein", sagt Victor Puhl, "die Akustik ist nicht so schlimm, wie es oft behauptet wird". Die "Konzertmuschel" sei zwar in die Jahre gekommen, aber sie erfülle ihren Zweck. Und die Balance der Instrumente stimme.

Da trifft er sich mit István Dénes. "Die Akustik im Trierer Theater ist gar nicht schlecht", sagte der damalige GMD einmal und fügte mit leise selbstkritischem Unterton hinzu: "Es klingt nur so, wie wir spielen."

4. Sinfoniekonzert am Donnerstag, 18. Dezember, 20 Uhr im Trierer Theater. Werke von Arvo Pärt, Dieter Schnebel, Ludwig van Beethoven und Gustav Mahler. Tickets in den TV-Service-Centern in Trier, Bitburg, Wittlich, unter der TV-Tickethotline 0651-7199-996 und online unter www.volksfreund.de/tickets

EXTRA

Die erste Sinfonie von Gustav Mahler (1860-1911) gilt als schwierig zu spielendes Werk. In seinem Schaffen steht der Komponist Mahler an der Schwelle zur Neuen Musik (Arnold Schönberg, Alban Berg). In der ersten Sinfonie verlangt er zum Beispiel von den Geigen einen extrem hohen Ton, der nur durch eine spezielle Fingertechnik (Flageolett) möglich ist. An anderer Stelle schreibt er vor, dass die Streicher mit dem Bogenholz spielen ("col legno") oder fordert, dass die Bläser nur aus der Ferne zu hören sind, was enorme Tiefen des Orchesterraums erfordert. (hpl)

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