Kolumne Michael Kernbach: König Zuschauer

Beinahe wären wir dieser Tage Zeuge des Niedergangs eines Unterhaltungs-Kolosses geworden. Gemeint ist Hollywood.

Kolumne Michael Kernbach: König Zuschauer
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Beinahe wären wir dieser Tage Zeuge des Niedergangs eines Unterhaltungs-Kolosses geworden. Gemeint ist Hollywood. Denn viele deutsche Kinos hätten fast wegen der für sie und damit für ihre Kunden nicht mehr tragbaren Lizenzierungskonditionen den Film "Hulk" nicht gezeigt - und das wäre der Anfang vom Ende gewesen! Auch wenn es diesmal für die Blockbusterfa-brik noch einmal gut gegangen ist - es sind Ereignisse wie diese, die bestens dazu geeignet sind, den Glauben an Demokratie und freien Markt zu fördern. Wir, die Menschen draußen, wie uns Politiker gern hochblöde titulieren, entscheiden in einer Endlosabstimmung über den Erfolg von Produkten und Konzepten. Unsere Wahlurnen heißen point of sale , Doppelklick oder Kasse. Wir formen unsere Umwelt durch die Angebote, die wir wahrnehmen. Und wissen Sie, wo das nicht so ist? Beim Fernsehen! Haben Sie sich mal überlegt, wie unser Fernsehprogramm zustande kommt? Es ist erschütternd! Wenn man die von uns zwangsfinanzierten ARD und ZDF außen vor lässt, herrscht über das Restprogramm der Wille der AGF Fernsehforschung. Etwa 1500 repräsentativ ausgewählte Haushalte liefern per Modul in einer Art Dauerumfrage die Daten, nach deren Auswertung etwa GZSZ am Dienstag von 6,78 Millionen Zuschauern, Marktanteil in der werberelevanten Kernzielgruppe von 57, 8 Prozent, gesehen wurde. Quote = Erfolg = Werbeeinnahmen: Das sind Methoden! Toll! Aber was ist, wenn von 1500 Haushalten 1496 mal kein Fernsehen gucken? Bescheren dann die anderen vier per Zufall dem "Wort zum Sonntag" eine Quote von 96 Prozent? Und, weiter gesponnen: Welcher Konsumartikelhersteller hängt sich an diesen Quotenknüller dran? Becks präsentiert - die frohe Botschaft, oder was? Wieso eigentlich können wir uns nicht alle nach Gusto in diese Zählverfahren einloggen, so wie wir es im Internet tagtäglich millionenfach zu jedem anderen Käse tun? Wenigstens das ist einfach zu erklären: Programme mit Niveau kosten viel Geld! Und Zeit! Und diese Mühe! Das alles für die Stumpfis vor der Glotze? Nee, sagen die Programmdirektoren und verfahren lieber weiter nach dem Grundsatz: "Der Mensch ist dumm", erstellen hierzu passende Unterhaltungsformate und verwursteln dazu die von der AGF selbstgemalten Zahlenstränge zu sensationellen Erfolgsbotschaften, die so lange keiner glaubt, bis alle pleite gehen. Leo Kirch lässt grüßen- oder bald Hollywood.

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