Kontrollierter Rücksturz zur Erde

TRIER. "Raumpatrouille Orion", die Fernsehserie aus den 60er Jahren, hebt wieder ab. Als rundum erneuerter Spielfilm mit digitalem Ton läuft der Film in den Kinos. Unter anderem in Trier auf der Open-Air-Kino-Bühne im Hof der Telekom am Samstag, 16. August, 21.30 Uhr.

"Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. Hier ist ein Märchen von übermorgen." Mit diesem Satz beginnt ein kleiner Meilenstein in der Geschichte der deutschen Science Fiction und zudem ein oftmals skurriles Zeitporträt der 60er Jahre. Als der ganze Globus im Weltraum-Fieber war und Präsident John F. Kennedy das US-Mondprogramm verkündete, entstand in den Studios der Münchener Bavaria die Fernseh-Serie "Raumpatrouille Orion". 38 Jahre später greift die Bavaria ins Archiv und präsentiert nun eine restaurierte Version der Serie, auf Spielfilmformat zurechtgestutzt, digital überarbeitet - und mit Elke Heidenreich als Zwischenkommentatorin. Mit 3,4 Millionen Mark Produktionskosten geriet die siebenteilige Serie, die 1965 und 1966 gedreht wurde, für die damalige Zeit relativ teuer. Sie entwickelte sich bald zum "Straßenfeger" in einer kabelfernsehlosen Republik. Für heutige Verhältnisse erreichten die "Märchen von Übermorgen" Rekordquoten. Die erste Folge, gesendet am Samstag, 17. September 1966, fesselte 37 Prozent der Fernsehzuschauer, bei der Sendung der 4. Folge, am 29. Oktober 1966, waren es bereits 56 Prozent. "Orion" wurde zum Exportartikel in französischer, schwedischer, südafrikanischer und italienischer Sprache."Dödstrålar" und "Attacco dallo spazio"

"Dödstrålar" (Todesstrahlen) hieß eine Folge, die 1967 in Schweden lief. Im selben Jahr flimmerte "Attacco dallo spazio" über die italienischen Schwarz-Weiß-Fernseher, und als "Commando spatial" sendete der französische Sender O.R.T.F die Raumpatrouille. Sogar in Südafrika fanden sich Fans. Ab 1. Januar 1976 liefen die Folgen auf Afrikaans im südafrikanischen Staatsfernsehen.Die Abenteuer des vom smarten Dietmar Schönherr gespielten Orion-Kommandanten McLane und seiner Mannschaft faszinierten die Zuschauer damals und begeistern sie heute, was zahlreiche Wiederholungen in den 80er und 90er Jahren belegen.Während der zeitgleich abhebende Capt‘n Kirk der amerikanischen Serie "Raumschiff Enterprise" den strahlenden Helden spielt, erscheint McLane als aufmüpfiger und nachdenklicher Offizier. Deshalb bekommt er eine Aufpasserin zur Seite gestellt, Tamara Jagellovsk vom Galaktischen Sicherheitsdienst GSD, die mit sprödem Charme ständig jene Vorschriften zitiert, die McLane brechen muss, um die Welt zu retten. McLanes Crew jedoch steht in alter Landser-Tradition hinter ihm. Das kommt nicht von ungefähr, lag der Zweite Weltkrieg nicht weit zurück. Oft werden Offiziere zu ihren Vorgesetzten zitiert, es werden "Alpha-Order" erteilt, "Energie-Brand-Geheimwaffen" eingesetzt, Lagebesprechungen abgehalten und der "Rücksturz zur Erde" befohlen - Bezeichnungen, die in der heutigen von Anglizismen durchsetzen Sprache schon Kult-Status haben. Die Namen der Helden, "Mario de Monti" (Wolfgang Völz) oder "Atan Shubashi" (F. G. Beckhaus) erinnern gar an die Achsenmächte Italien-Deutschland-Japan.Trotz dieser unfreiwilligen Reminiszenzen an ein düsteres Kapitel deutscher Geschichte bietet die Raumpatrouille innovative Ansätze der Science Fiction. Capt‘n Kirk ist mit seiner Enterprise unterwegs, um neue Welten zu entdecken, was viele seiner Vorgänger auch schon taten. Die Welt der "Raumpatrouille" geht jedoch andere Wege. Die Orion ist unterwegs, um die Menschheit vor den Konsequenzen ihrer eigenen Fehler zu bewahren. In der Folge "Raumfalle" hat McLane es mit meuternden Militärs zu tun, in "Kampf um die Sonne" entdeckt McLane den Zwillings-Planeten Chroma, der von Frauen regiert wird, womit Drehbuchautor Rolf Honold so manche Wunschträume von Feministinnen der 70er Jahre bereits erfüllt. Chroma zapft die Strahlung der Sonne an, um seinen Energie-Bedarf zu decken. Diese Strahlung fehlt der Erde - die Ölkrise der 70er Jahre wird damit quasi vorweggenommen."Raumpatrouille Orion" bleibt - trotz so kurioser Requisiten wie Bügeleisen, Bleistiftspitzern und Duscharmaturen - erstaunlich aktuell.Das Buch zum Film: Josef Hilger: "Raumpatrouille - Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion" (Schwarzkopf & Schwarzkopf); der Soundtrack: Peter Thomas "Raumpatrouille" (Zomba)

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